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Könstler-Diographieii.
war seinem älteren Bruder Willem van de Velde (dem jüngeren) beschieden. 1633 zu Amster-
dam geboren, lernte er früh von dem Vater, was er als See- und Schiffsmaler wissen und können
mußte, und bei dem derzeit besten Meister seines Faches, dem trefflichen Simon de Vlieger
(geboren zu Amsterdam 1612, und blühend etwa 1635 — 1650) erhielt er die Unterweisung in
der Malerei. Nachdem er lange genug die Seesiege seiner Landsleute über die Engländer in
großen Bildern verherrlicht, zu denen er sich's nicht verdrießen ließ, die Studien mitten im Kampf-
gewühle selbst zu machen, wie er denn der entscheidenden Seeschlacht von 1666 in einem kleinen
Boote beiwohnte, berief ihn König Karl II. 1675 mit seinem Vater nach England, ernannte ihn
zu seinem Hofmaler und gab ihm ein Jahrgehalt von 1200 Gulden; und unter ihm wie unter
seinem Nachfolger Jacob II., der ihn in Würden und Gerechtsamen bestätigte, malte er nun die
Siege der Engländer über die Holländer. Noch einmal scheint er nach dem Tode Karl's II. in
der Heimat gewesen zu sein; den größten Theil seines thätigen Lebens aber verbrachte er in
England, denn erst am 6. April 1707 starb er hochbetagt zu Greenwich bei London.
Er ist unbedingt der größte Seemaler der holländischen Schule, und durch ein unablässiges und,
wie die Assistenz bei einer der größten Seeschlachten des Jahrhunderts beweist, vor keinem Opfer
und keiner Gefahr zurückschreckendes Naturstudium, von dessen Umfang und Gründlichkeit seine
zahlreichen in Sepia ausgeführten Zeichnungen eine Vorstellung geben, gelangte er dahin, jeder
Aufgabe, die im Umfange seines Faches an ihn herantreten konnte, vollauf gerecht zu werden. Er
malte die See in den verschiedensten Zuständen, von der vollkommensten Ruhe durch alle Stadien
der Bewegung bis zur gewaltigsten Erregung des Sturmes, und nicht minder, als er in Form
und Farbe die Natur und Bewegung des flüssigen Elementes naturgetreu wiederzugeben suchte, ver-
mochte er auch den klarsten, feinsten Luftton zu malen und durch die meisterhafteste Luftperspective
seinen Bildern eine unabsehbare Tiefe mit unübertrefflicher Abstufung der verschiedenen Pläne zu
geben. Die verschiedenartigsten Schiffe, welche seine Bilder beleben, verstand er bewunderungs-
würdig treu in jedem Detail zu bilden. Mit ungemein malerischem Sinne machte er seine Compo-
sitionen und ließ sie die mannichfaltigsten Beleuchtungen mit gleicher Meisterschaft umspielen.
Sein Vortrag wurde trotz der Zartheit der Wirkung und der Detaillirung nie kleinlich oder ge-
leckt, sondern blieb selbst in den kleinsten Dimensionen stets frei und breit, in seinen großen See-
schlachten streift er manchmal selbst an das Decorative. Für die Poesie der Natur und zumal
der See hat kaum je ein Künstler einen offneren Sinn und ein feineres Auge gehabt als er, und
da ihm die unbedingteste Meisterschaft der Hand zur Verfügung stand, so hat er den poetischen
Eindruck stets erreicht. Dieser frische Anhauch der See, der die Brust weitet und uns mit dem
Gefühl der vollkommensten Freiheit schmeichelt, weht uns aus keines anderen Künstlers Bildern
lebendiger und erquickender an als aus van de Velde's.
Ein Seemaler ersten Ranges, der die Großthaten der beiden gewaltigsten Seemächte ihrer
Zeit verherrlicht, mußte der ausgesprochene Liebling jener seefahrenden und seebeherrschenden
Nationen werden; und so ist es begreiflich, daß sich der weitaus größte Theil seiner Gemälde in
niederländischem und englischem Besitze befindet. Viel seltener kommt er in binnenländischen
Sammlungen vor, doch besitzen wenigstens München, Cassel und Berlin treffliche Proben seiner-
unvergleichlichen Kunst. L. N.
Könstler-Diographieii.
war seinem älteren Bruder Willem van de Velde (dem jüngeren) beschieden. 1633 zu Amster-
dam geboren, lernte er früh von dem Vater, was er als See- und Schiffsmaler wissen und können
mußte, und bei dem derzeit besten Meister seines Faches, dem trefflichen Simon de Vlieger
(geboren zu Amsterdam 1612, und blühend etwa 1635 — 1650) erhielt er die Unterweisung in
der Malerei. Nachdem er lange genug die Seesiege seiner Landsleute über die Engländer in
großen Bildern verherrlicht, zu denen er sich's nicht verdrießen ließ, die Studien mitten im Kampf-
gewühle selbst zu machen, wie er denn der entscheidenden Seeschlacht von 1666 in einem kleinen
Boote beiwohnte, berief ihn König Karl II. 1675 mit seinem Vater nach England, ernannte ihn
zu seinem Hofmaler und gab ihm ein Jahrgehalt von 1200 Gulden; und unter ihm wie unter
seinem Nachfolger Jacob II., der ihn in Würden und Gerechtsamen bestätigte, malte er nun die
Siege der Engländer über die Holländer. Noch einmal scheint er nach dem Tode Karl's II. in
der Heimat gewesen zu sein; den größten Theil seines thätigen Lebens aber verbrachte er in
England, denn erst am 6. April 1707 starb er hochbetagt zu Greenwich bei London.
Er ist unbedingt der größte Seemaler der holländischen Schule, und durch ein unablässiges und,
wie die Assistenz bei einer der größten Seeschlachten des Jahrhunderts beweist, vor keinem Opfer
und keiner Gefahr zurückschreckendes Naturstudium, von dessen Umfang und Gründlichkeit seine
zahlreichen in Sepia ausgeführten Zeichnungen eine Vorstellung geben, gelangte er dahin, jeder
Aufgabe, die im Umfange seines Faches an ihn herantreten konnte, vollauf gerecht zu werden. Er
malte die See in den verschiedensten Zuständen, von der vollkommensten Ruhe durch alle Stadien
der Bewegung bis zur gewaltigsten Erregung des Sturmes, und nicht minder, als er in Form
und Farbe die Natur und Bewegung des flüssigen Elementes naturgetreu wiederzugeben suchte, ver-
mochte er auch den klarsten, feinsten Luftton zu malen und durch die meisterhafteste Luftperspective
seinen Bildern eine unabsehbare Tiefe mit unübertrefflicher Abstufung der verschiedenen Pläne zu
geben. Die verschiedenartigsten Schiffe, welche seine Bilder beleben, verstand er bewunderungs-
würdig treu in jedem Detail zu bilden. Mit ungemein malerischem Sinne machte er seine Compo-
sitionen und ließ sie die mannichfaltigsten Beleuchtungen mit gleicher Meisterschaft umspielen.
Sein Vortrag wurde trotz der Zartheit der Wirkung und der Detaillirung nie kleinlich oder ge-
leckt, sondern blieb selbst in den kleinsten Dimensionen stets frei und breit, in seinen großen See-
schlachten streift er manchmal selbst an das Decorative. Für die Poesie der Natur und zumal
der See hat kaum je ein Künstler einen offneren Sinn und ein feineres Auge gehabt als er, und
da ihm die unbedingteste Meisterschaft der Hand zur Verfügung stand, so hat er den poetischen
Eindruck stets erreicht. Dieser frische Anhauch der See, der die Brust weitet und uns mit dem
Gefühl der vollkommensten Freiheit schmeichelt, weht uns aus keines anderen Künstlers Bildern
lebendiger und erquickender an als aus van de Velde's.
Ein Seemaler ersten Ranges, der die Großthaten der beiden gewaltigsten Seemächte ihrer
Zeit verherrlicht, mußte der ausgesprochene Liebling jener seefahrenden und seebeherrschenden
Nationen werden; und so ist es begreiflich, daß sich der weitaus größte Theil seiner Gemälde in
niederländischem und englischem Besitze befindet. Viel seltener kommt er in binnenländischen
Sammlungen vor, doch besitzen wenigstens München, Cassel und Berlin treffliche Proben seiner-
unvergleichlichen Kunst. L. N.