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des Freiburger Kreuzes. Doch war es reicher ausgestattet.
Aus der Beschreibung des Jesuiten Lyra10 von 1676
erfahren wir, daß das kostbare Kreuz nach einem Brand
des Klosters Niedermünster im Jahre 1540 in die Abtei
Hohenburg gebracht wurde. Als diesem Kloster vier
Jahre später das gleiche Schicksal widerfuhr, kam es in
die bischöfliche Schatzkammer in Zabern. Der Straß-
burger Bischof Johann v. Manderscheid schenkte es
1580 den Jesuiten in Molsheim, die das Kreuz auf einem
Seitenaltar ihrer neuen Kirche zur Verehrung aufstellten.
Lyras Veröffentlichung ist ein Kupferstich beigegeben,
der die Vorder- und Rückseite des Kreuzes zeigt11. Sieht
man von der barocken Umdeutung der Zeichnung
ab, dann entspricht die Figur des Gekreuzigten dem
Freiburger, nur ist das Lendentuch an der rechten
Hüfte geknotet und das rechte Knie freigelassen. Ob
dies eventuell ein Versehen des Zeichners war, der die
Figur vielleicht direkt auf die Kupferplatte übertrug,
bei der „rechten“ Kopfhaltung aufpaßte, in der übrigen
Zeichnung aber großzügiger handelte, bleibt dahin-
gestellt. Überliefert ist, daß Christus eine mit vielen
Edelsteinen geschmückte Krone trug, die aber schon
1279 gestohlen wurde. Im 17. Jahrhundert bedeckten
Rubine die Wundmale. Mit Filigran, Edelsteinen und
silbergetriebenen Reliefs war die Vorderseite überzogen.
Evangelistensymbole füllten die verbreiterten Enden des
Kreuzes. Die Rückseite war ganz mit getriebenen
Szenen des Alten und Neuen Testamentes bedeckt.
Der obere, vertikale Balken zeigte die Himmelfahrt, wie
ehemals auch in Freiburg, hier jedoch enger an das Vor-
bild aus dem „Hortus“ gebunden. Leider ging dieses
Kreuz in der Französischen Revolution verloren. Die
Zuschreibung des wesentlich kleineren und auch im
Stil anderen Kreuzes aus Engelberg an denselben Mei-
ster erscheint mir fraglich.

Das Kreuz von Niedermünster wurde noch zu Anfang
des 16. Jahrhunderts von dem Humanisten Wimpfeling12
auf dem Altar vor dem Lettner der Abteikirchc ge-
sehen. Da es sich bei dem Kreuz um ein ausgesprochenes
Reliquiar handelt, in dem die verehrungswürdigen
Reliquien eingelassen waren - von frommen Stiftern
schon in karolingischer Zeit geschenkt ist die Auf-
stellung auf einem Altar verständlich. Denn die Re-
liquien der Heiligen wollten die Gläubigen berühren,
ln das Freiburger Kreuz sind aber nur Reste der „Kleider
Mariens“ eingelegt13. Es war injener Zeit üblich, Figuren
oder Kreuze durch eine Reliquie zu heiligen. Dies sind
aber keine Reliquiare und mußten daher nicht auf

einem Altar stehen. Das Kreuz im Münster „Unsrer
Lieben Frauen“ war sicher ein Triumphkreuz, das bis
zur Öffnung des spätgotischen Chores im Bogen vor der
romanischen Apsis hing. Von dort ist es um 1280
herabgestürzt, wodurch es empfindlichen Schaden er-
fuhr. Wie sollte man sich die so entscheidende Restau-
rierung sonst erklären, da von einem Brand oder einem
Einsturz des Münsters nie die Rede ist. Jedenfalls ziert es
seit der Ausstattung der Villinger-Kapelle zu ,,hochseliger
gedächtnus“ des Magdeburger Dompropstes Wilhelm
Böcklin von Böcklinsau die Wand des Altares. Im Inven-
tar von 1483 wird es nicht aufgeführt, es sei denn, man
würde den Eintrag „Item ein gulde cruz uf holz ge-
schlagen“14 auf das Kreuz beziehen.

Offen bleibt die Frage nach dem Stifter des einmaligen
Kreuzes. Weder eine Figur, wie sonst üblich, noch eine
Inschrift geben einen Hinweis. Auch fand man bis heute
keine Urkunde, die einen Anhaltspunkt geben könnte.
Wir sind daher nur auf eine Vermutung angewiesen,
die allerdings keinen sicheren Beweis erbringt, aber dem
mittelalterlichen Denken und Handeln entspricht. Aus
historischer Überlieferung ist bekannt, daß Rudolf von
Zähringen dem Mainzer Domschatz ein sehr berühmtes
Kultbild, das ganz aus Gold bestehende, überlebens-
große „Benna-Kreuz“ entnahm und für seine eigen-
süchtigen Pläne verwandte. Rudolf, 1127 geboren, war
der Sohn Herzog Konrads von Zähringen und seiner
Gemahlin Clementia von Namur. Als Drittgeborener
wurde er für den geistlichen Stand erzogen. Nachdem
nun am 24. Juni 1158 der Mainzer Erzbischof Arnold
von der aufrührerischen Bevölkerung ermordet worden'
war, wählte der Pöbel der Stadt mit Unterstützung
einiger Domherren den durch vornehme Herkunft aus-
gezeichneten Rudolf von Zähringen zum Nachfolger.
Da er nicht rechtens vom gesamten Domkapitel erkoren
war, versagten ihm Kaiser und Papst die Anerkennung.
Um seine Ansprüche durchzusetzen, begab sich Rudolf
zum Kaiser, der sich 1161 in der Lombardei aufhielt.
Vorher hatte er aber das „Benna-Kreuz“ dem Dom-
schatz entnommen und verkauft, um seinen Willen, die
kaiserliche Anerkennung zu gewinnen, durch Beste-
chung einflußreicher Männer durchzusetzen. Seine Be-
mühungen blieben jedoch erfolglos. Die Synode von
Lodi belegte ihn mit einer Kirchenstrafe. Sieben Jahre
später, 1168, gelangte er mit Hilfe seines Onkels, des
Grafen von Namur, auf den Bischofsstuhl von Lüttich.
Dort war er nicht beliebt. Er führte den Spottnamen
„Clouchelauch“, d. h. Lauchspalter, was auf seine Vor-

4 Münsterschatz

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