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nicht, in der er geboren war, Raphael ein Künstler und niemals
etwas anderes als das. Er soll nach dem Cardinalshute ge-
strebt haben. Wir haben nicht von dem zu reden, was er hätte
thun können, wohin er sich vielleicht gewandt hätte im Laufe
des Lebens, sondern nur von dem, was er wirklich gethan hat,
so lange er lebte. Wie er dahinschritt vom Beginn bis zu
seinem Ende, erfüllte er das Jdeal einer Künstlerlaufbahn, und
selbst seine Eifersucht auf Michelangelo darf seinen Ruhm nicht
schmälern, sondern erhöht ihn. Wer so hoch steht, muß das
Verlangen tragen, der erste zu sein von allen und keinen über
sich zu dulden.
Was wir über das Verhältniß beider Künstler wissen, ist
nicht klar und von zweifelhaftem Werthe. Aussprüche großer
Männer über ihres Gleichen, auch wo sie scharf lauten, habeu
nicht die Bedeutung der bösen Worte, mit denen mittelmäßige
Naturen sich den Rang streitig machen. Wenn Michelangelo
einmal im Zoru ausrief, was Raphael von dcr Architektur wisse,
daß wisse er durch ihn, so wollte er Raphael dadurch nicht
kleiner und sich nicht größer machen. Goethe hätte ebenso viel-
leicht vou Schiller sagen können: was er geworden ist, das ist
er durch mich geworden, Aeschylos dasselbe von Sophokles,
Corneille von Racine. Allgemein betrachtet eine Unwahrheit,
wären diese Worte im Momente und unter besonderen Umständen
berechtigt gewesen, und diejenigen hätten sie auch richtig auf-
genommen, für die allein sie gesprochen wurden, die vom Geiste
der augenblicklichen Stimmung erfüllt den Gedanken als wahr
erfaßten, dem sie zum Ausdruck dienen sollten.
Es giebt kein erhabeneres, kein rührenderes Lob als die
Art, wie Vasari, Michelangelo's Freund und Schüler, Raphael's
Oberherrschaft über alle Künstler nicht seiner Meisterschaft und
der Klugheit seines liebenswürdigen Benehmens zumeist, sondern
dem Genius seiner schönen Natur zuschreibt. Alle Maler, nicht
nur die geringen, auch die größten, welche auf ihren eigenen
nicht, in der er geboren war, Raphael ein Künstler und niemals
etwas anderes als das. Er soll nach dem Cardinalshute ge-
strebt haben. Wir haben nicht von dem zu reden, was er hätte
thun können, wohin er sich vielleicht gewandt hätte im Laufe
des Lebens, sondern nur von dem, was er wirklich gethan hat,
so lange er lebte. Wie er dahinschritt vom Beginn bis zu
seinem Ende, erfüllte er das Jdeal einer Künstlerlaufbahn, und
selbst seine Eifersucht auf Michelangelo darf seinen Ruhm nicht
schmälern, sondern erhöht ihn. Wer so hoch steht, muß das
Verlangen tragen, der erste zu sein von allen und keinen über
sich zu dulden.
Was wir über das Verhältniß beider Künstler wissen, ist
nicht klar und von zweifelhaftem Werthe. Aussprüche großer
Männer über ihres Gleichen, auch wo sie scharf lauten, habeu
nicht die Bedeutung der bösen Worte, mit denen mittelmäßige
Naturen sich den Rang streitig machen. Wenn Michelangelo
einmal im Zoru ausrief, was Raphael von dcr Architektur wisse,
daß wisse er durch ihn, so wollte er Raphael dadurch nicht
kleiner und sich nicht größer machen. Goethe hätte ebenso viel-
leicht vou Schiller sagen können: was er geworden ist, das ist
er durch mich geworden, Aeschylos dasselbe von Sophokles,
Corneille von Racine. Allgemein betrachtet eine Unwahrheit,
wären diese Worte im Momente und unter besonderen Umständen
berechtigt gewesen, und diejenigen hätten sie auch richtig auf-
genommen, für die allein sie gesprochen wurden, die vom Geiste
der augenblicklichen Stimmung erfüllt den Gedanken als wahr
erfaßten, dem sie zum Ausdruck dienen sollten.
Es giebt kein erhabeneres, kein rührenderes Lob als die
Art, wie Vasari, Michelangelo's Freund und Schüler, Raphael's
Oberherrschaft über alle Künstler nicht seiner Meisterschaft und
der Klugheit seines liebenswürdigen Benehmens zumeist, sondern
dem Genius seiner schönen Natur zuschreibt. Alle Maler, nicht
nur die geringen, auch die größten, welche auf ihren eigenen