Michelangelos Rückkehr nach Rom
bau auf dieser Zeichung in zwei architektonische Gruppen geteilt, die, nebeneinander liegend,
die uns zugewandte Fläche bilden. Rechts und links zwei Nischen mit Statuen darin, zu beiden
Seiten einer jeden Nische auf viereckigen, vorspringenden Piedestalen nackte Jünglingsgestalten,
mit den Rücken an flachen Halbsäulen ruhend, an die sie wie Gefangene angefesselt sind, und
die über ihren Köpfen, nach Art der Hermen, zu Gestalten römisch gepanzerter Männer werden,
über deren Köpfen wiederum das den ganzen Unterbau umschließende, stark vorspringende
Gesims liegt. Die Statuen in den Nischen sind Siegesgottheiten mit den besiegten Städten unter
ihren Füßen, die nackten Jünglinge bedeuten die Künste und Wissenschaften, die mit dem
Tode des Papstes zugleich ihr Leben aushauchen.
Mitten auf diesem Unterbau erhebt sich das zweite Stockwerk, das eigentliche Grab-
gewölbe, in welchem der Sarkophag mit dem Leichnam ruhen sollte. Es ist offen an den Seiten,
so daß man den Sarkophag darin erblickt. Wir sehen auf unserer Skizze das Kopfende des-
selben. An den vier Ecken dieses Grabgewölbes sitzen je zwei kolossale Gestalten, immer
zwei nach jeder Seite hingewandt, und zwar so postiert, daß jede in der Mitte über einer jener
architektonischen Gruppen des Unterbaues ihren Stand erhält. Man könnte danach das Ganze
auch so beschreiben: es seien vier gewaltige Piedestale ziemlich nahe zusammengerückt, auf
deren jedem zwei sitzende Gestalten erscheinen, an den vier Ecken eines Monumentes, das,
mitten auf diese Masse gesetzt, auf jedem der vier Piedestale mit einer Ecke aufstände.
Die acht sitzenden Statuen sind Moses, Paulus, das tätige und das beschauliche Leben,
mehr werden nicht genannt.
Von dem, was sich endlich als Spitze über diesem zweiten Aufbau erhob, haben wir nur die
Beschreibung. Zwei Engelgestalten sollten da gesehen werden, welche einen offenen Sarkophag
mit der Statue des in Todesschlaf versunkenen Papstes darin auf ihren Schultern trügen.
Über fünfzig Statuen, reichlich Bronzearbeiten und die feinste ornamentale Verzierung
der Architektur durch Arabesken, Blumen und andere Ornamente —: ein Menschenleben
scheint kaum ausreichend zur Ausführung eines solchen Projektes. Aber dergleichen Berech-
nungen schreckten weder den Künstler noch den Papst ab, der in hohen Jahren dennoch auftrat
als wollte er von frischem ein langes ruhmgekröntes Leben beginnen.
Julius drängte zu sofortiger Abreise nach Carrara zur Auswahl des notwendigen Marmors. Michelangelo
Michelangelo erhielt eine Anweisung auf tausend Dukaten an ein florentiner Haus und ver- Carrara
ließ Rom.
Carrara liegt im nördlichen Teile von Toskana an der Grenze des genuesischen Gebietes,
wo die Apenninen dicht an das Ufer des Tyrrhenischen Meeres stoßen, nicht weit davon Sar-
zana und Pietrasanta. Acht Monate blieb Michelangelo in den Steinbrüchen dort. Er hatte
zwei Diener und ein Gespann Pferde bei sich. Zwei von den an die Säulen angefesselten Gestalten
ließ er dort schon im groben zuhauen, der übrige Marmor wurde in Blöcken fortgeschafft.
Der Kontrakt mit Schiffseigentümern aus Lavagna, einem nördlich gelegenen genuesischen
Küstenstädtchen, lautet vom 12. November 1505. Für zweiundzwanzig Golddukaten über-
nehmen es die Leute, den Marmor nach Rom zu schaffen. Einen Teil der Steine schickte Michel-
angelo jedoch nach Florenz, wo die Arbeit bequemer und billiger zu haben war. Auch bei
diesen ließ sich der Transport bis an Ort und Stelle zu Wasser bewerkstelligen.
Als er im Januar 1506 in Rom wieder ankam, lag ein Teil seiner Blöcke schon am Tiberufer;
dennoch ging es schlecht mit dem Transport der übrigen, wie ein am Letzten des Monats an
seinen Vater geschriebener Brief zeigt. Hier würde ich ganz zufrieden sein, heißt es darin,
wenn nur mein Marmor kommen wollte. Ich habe Unglück bei der Sache, nicht zwei Tage, solange
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bau auf dieser Zeichung in zwei architektonische Gruppen geteilt, die, nebeneinander liegend,
die uns zugewandte Fläche bilden. Rechts und links zwei Nischen mit Statuen darin, zu beiden
Seiten einer jeden Nische auf viereckigen, vorspringenden Piedestalen nackte Jünglingsgestalten,
mit den Rücken an flachen Halbsäulen ruhend, an die sie wie Gefangene angefesselt sind, und
die über ihren Köpfen, nach Art der Hermen, zu Gestalten römisch gepanzerter Männer werden,
über deren Köpfen wiederum das den ganzen Unterbau umschließende, stark vorspringende
Gesims liegt. Die Statuen in den Nischen sind Siegesgottheiten mit den besiegten Städten unter
ihren Füßen, die nackten Jünglinge bedeuten die Künste und Wissenschaften, die mit dem
Tode des Papstes zugleich ihr Leben aushauchen.
Mitten auf diesem Unterbau erhebt sich das zweite Stockwerk, das eigentliche Grab-
gewölbe, in welchem der Sarkophag mit dem Leichnam ruhen sollte. Es ist offen an den Seiten,
so daß man den Sarkophag darin erblickt. Wir sehen auf unserer Skizze das Kopfende des-
selben. An den vier Ecken dieses Grabgewölbes sitzen je zwei kolossale Gestalten, immer
zwei nach jeder Seite hingewandt, und zwar so postiert, daß jede in der Mitte über einer jener
architektonischen Gruppen des Unterbaues ihren Stand erhält. Man könnte danach das Ganze
auch so beschreiben: es seien vier gewaltige Piedestale ziemlich nahe zusammengerückt, auf
deren jedem zwei sitzende Gestalten erscheinen, an den vier Ecken eines Monumentes, das,
mitten auf diese Masse gesetzt, auf jedem der vier Piedestale mit einer Ecke aufstände.
Die acht sitzenden Statuen sind Moses, Paulus, das tätige und das beschauliche Leben,
mehr werden nicht genannt.
Von dem, was sich endlich als Spitze über diesem zweiten Aufbau erhob, haben wir nur die
Beschreibung. Zwei Engelgestalten sollten da gesehen werden, welche einen offenen Sarkophag
mit der Statue des in Todesschlaf versunkenen Papstes darin auf ihren Schultern trügen.
Über fünfzig Statuen, reichlich Bronzearbeiten und die feinste ornamentale Verzierung
der Architektur durch Arabesken, Blumen und andere Ornamente —: ein Menschenleben
scheint kaum ausreichend zur Ausführung eines solchen Projektes. Aber dergleichen Berech-
nungen schreckten weder den Künstler noch den Papst ab, der in hohen Jahren dennoch auftrat
als wollte er von frischem ein langes ruhmgekröntes Leben beginnen.
Julius drängte zu sofortiger Abreise nach Carrara zur Auswahl des notwendigen Marmors. Michelangelo
Michelangelo erhielt eine Anweisung auf tausend Dukaten an ein florentiner Haus und ver- Carrara
ließ Rom.
Carrara liegt im nördlichen Teile von Toskana an der Grenze des genuesischen Gebietes,
wo die Apenninen dicht an das Ufer des Tyrrhenischen Meeres stoßen, nicht weit davon Sar-
zana und Pietrasanta. Acht Monate blieb Michelangelo in den Steinbrüchen dort. Er hatte
zwei Diener und ein Gespann Pferde bei sich. Zwei von den an die Säulen angefesselten Gestalten
ließ er dort schon im groben zuhauen, der übrige Marmor wurde in Blöcken fortgeschafft.
Der Kontrakt mit Schiffseigentümern aus Lavagna, einem nördlich gelegenen genuesischen
Küstenstädtchen, lautet vom 12. November 1505. Für zweiundzwanzig Golddukaten über-
nehmen es die Leute, den Marmor nach Rom zu schaffen. Einen Teil der Steine schickte Michel-
angelo jedoch nach Florenz, wo die Arbeit bequemer und billiger zu haben war. Auch bei
diesen ließ sich der Transport bis an Ort und Stelle zu Wasser bewerkstelligen.
Als er im Januar 1506 in Rom wieder ankam, lag ein Teil seiner Blöcke schon am Tiberufer;
dennoch ging es schlecht mit dem Transport der übrigen, wie ein am Letzten des Monats an
seinen Vater geschriebener Brief zeigt. Hier würde ich ganz zufrieden sein, heißt es darin,
wenn nur mein Marmor kommen wollte. Ich habe Unglück bei der Sache, nicht zwei Tage, solange
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