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Priester83. Zur zweiten Zone gehören die Festtagsbilder84, die in den Pendentivzwickeln der Haupt-
kuppel oder im Querhaus ihren Standort haben. Brustbilder von Heiligen schmücken die Kalotten der
Seitenapsiden. Ganzfigurige Heiligendarstellungen, die dem untersten Bereich der Hierarchie zugeordnet
sind, treten an den unteren Wänden des Presbyteriums, in den Bogenleibungen und an den Pfeilern
des Naos auf85.
Das Dekorationssystem setzt außer Zweifel, daß trotz der Verlegung des Altars aus der Mitte des Gebäudes
die theologische Bedeutung der Kuppel und damit der inhaltliche Bezug ihrer Darstellungen auf den Altar
erhalten bleibt. Da die Kuppel schon in der Antike das Himmelsgewölbe symbolisierte, können die
folgenden Worte des hl. Chrysostomus auch als Zeugnis ihrer unmittelbaren gedanklichen Verbindung
mit der Meßhandlung verstanden werden, die in visionärer Form zum Ausdruck bringen, was sich durch
die Assuntakompositionen, die intentional die Herabkunft zum Altar im Augenblick der Konsekration
einbeziehen, zu bildhafter Anschaulichkeit konkretisiert: „Sobald du siehst, daß der Vorhang zu-
gezogen wird, so stelle dir vor als öffne sich der Himmel oben und als stiegen die Engel herab“86. Die
gleiche, aber vom Armenier Joh. Mandacuni noch etwas weiter ausgeführte Vorstellung, bringt wieder
in Worten zum Ausdruck, was im Kuppelmosaik dargestellt ist: „Weißt du nicht, daß in dem Augen-
blick, wo das hl. Sakrament auf den Altar kommt, der Himmel droben sich öffnet und Christus her-
niedersteigt und ankommt, daß englische Heerscharen vom Himmel zur Erde schweben und den
Altar umringen, wo das hl. Sakrament des Herrn ist und alle mit dem Hl. Geist erfüllt
werden“87. Die Anreger für die Formen der mittelbyzantinischen Gewölbebilder sucht Demus nicht
in Konstantinopel, da die Hagia Sophia in der Kuppel nur mit herkömmlichen Mustern ausgeziert war,
sondern in Palästina. Er glaubt, daß die Dekorationen der Himmelfahrts- und der Heiliggeistkirche in
Jerusalem „sich den nachikonoklastischen Ikonographen ganz von selbst, wegen des hohen Alters
und der Heiligkeit des Standortes, als die Vorlagen von unbedenklichstem Charakter empfohlen
haben müssen“88.
Die Auffassung, daß der Osten die Bildform der Assunta geschaffen habe, wird auch von Helene Gut-
berlet vertreten. Die genannte Autorin nimmt als das Urbild eine monumentale Komposition in der
Himmelfahrtskirche an, von deren Aussehen im 6. Jh. wir uns durch die monzeser Ampullen eine gewisse
Vorstellung machen können. Da diese Gefäße dazu verwandt wurden, Öl aus den Lampen zu trans-
portieren, die sich an den heiligen Stätten befanden, vermutet Gutberiet, daß die Darstellungen auf den
Ampullen Reproduktionen monumentaler Vorbilder seien, die den Zweck hatten, an den Besuch der
Heiligtümer zu erinnern89.
Den genauen Standort des Himmelfahrtsbildes kennen wir nicht, doch ist sicher das Zen-
trum der Kuppel wegen der Öffnung auszuschließen, die nach Heisenberg90 unter den während des
1. Jahrtausends in Jerusalem bestehenden Bauten von größerer Bedeutung allein die Assunta-
kirche auszeichnete. Diese symbolische Andeutung, die durch das hier stattgefundene Ereignis
ein besonderes Maß an vergegenwärtigender Kraft besitzt, ist typologisch der Prototypus für die in
der mittelbyzantinischen Mosaikausstattung an entsprechender Stelle erfolgende bildliche Repräsen-
tation.
Das Marienthema haben wir bisher nur in seiner Einfügung in das christologische Dekorationsprogramm
betrachtet. Es kann jedoch aus der bloßen Subordination heraustreten und selbst zum Gegenstand des
Hauptbildes erhoben werden, wie in den der Muttergottes geweihten Basiliken Italiens, wo es in Analogie
zum byzantinischen Brauch aber hier an der rangmäßig höchsten Stelle im Gewölbe, der mittleren Konche
auftritt. Dies scheint bereits in S. Maria Maggiore zu Rom der Fall gewesen zu sein, doch sind wir über
die Darstellung nicht unterrichtet, da das Mosaik bei der Verlegung der Apsis unter Nikolaus IV.
(1288-1292) geopfert wurde. In der sich seit kurzem wieder sehr eifrig mit dem verlorenen Konchen-
mosaik beschäftigenden Forschung haben sich zwei entgegengesetzte Meinungen gebildet91. Während
Christa Ihm und G. A. Wellen eine Muttergottes, begleitet von Märtyrern, in der Apsis annehmen, hat
Carlo Bertelli in Verbindung mit Paul Künzle die These geäußert, daß dort eine Christusfigur oder ein
Kreuz dargestellt gewesen sei, weil die in einer Beschreibung des 12. Jhs. erwähnten Gegenstände auf eine
Jordanlandschaft hindeuten würden, die sich schlecht mit einer Mariendarstellung vertrüge. Da die
auf die Muttergottes bezogene Widmungsinschrift Papst Sixtus’ III. im 16. und 17. Jh. am Portal
überliefert wird, vermuten sie, daß sich das zu ihr gehörende Marienmosaik der Basilika nicht in der
Apsis, sondern an der Fassade befunden habe92.

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