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die Darstellungen der beiden Tafeln, die 1305 in Pisa von Vanni zur Aufstellung in einem Tabernakel
gearbeitet worden sind, kennen wir nicht62.
Die späteren Exemplare, die uns in Italien erhalten sind, haben alle Klein- oder Miniaturformat. Von
einem zweiten Diptychon der luccesischen Schule, das schon dem zweiten Jahrzehnt des 14. Jhs. angehört
(Garr. 248), ist nur noch die linke Tafel mit der thronenden Muttergottes vorhanden. Ähnlich verhält
es sich bei den florentinischen und sienesischen Beispielen, die von etwa 1280 an bis in die ersten beiden
Jahrzehnte des Trecento recht zahlreich auftreten, von denen wir aber fast immer entweder nur den
Marien- oder nur den Kreuzigungsflügel besitzen.
Eine beträchtliche Anzahl weiterer Stücke vom Ende des 13. und dem Anfang des 14. Jhs. gibt es in
Garrisons sogenannten Adriatic Schools. Sie unterscheiden sich jedoch von den toskanischen Diptychen
dadurch, daß auf der rechten Tafel statt des Kruzifixes der Schmerzensmann erscheint. Soweit bisher
bekannt, kommt er auf den toskanischen Diptychenflügeln niemals vor. Als selbständiger Bildgegenstand
ist sein Auftreten hier erst eine Sache des fortgeschrittenen 14. und vor allem des 15. Jhs.
Auch bei venezianischen Stücken wird niemals über das Kleinformat hinausgegangen. Somit endet die
um 1260 beginnende Entwicklung zur Funktionsverschmelzung - was die Diptychen angeht - in der
Sphäre des privaten Gebrauchs. Die zentrale Stellung jedoch, die die vom Gefühl getragene Kreuzes-
verehrung und der die Gestalt einer seraphischen „Marienminne“ annehmende Kult der Muttergottes
in der Glaubensbetätigung des Franziskanertums einnehmen, läßt erkennen, daß es sich bei den kleinen
Täfelchen nur um eine bescheidene Nebenform bildlichen Niederschlages handeln kann. Von großer Bedeu-
tung für die im Schlußkapitel zu behandelnde Frage nach dem Verhältnis der großformatigen Tafelbild-
typen zueinander ist das auf den Diptychen zutage getretene Bestreben, die Darstellungen des primus
adventus und des Opfertodes Christi als die Hauptaspekte des Erlösungswerkes nicht nur inhaltlich zu
verbinden, sondern faktisch so eng wie möglich miteinander zu verklammern.

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