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ist auf dem Fresko eines Giotto-Schülers in der Szene der Darstellung im Tempel ein auf einer Säule
ruhender Reliquienschrein sichtbar, der hinter dem Altar aufragt (Abb. 238).
Die Breitseite dieses Schreines ist durch Arkaden gegliedert, unter denen sich Figuren befinden. Ein
ähnlicher Reliquienbehälter begegnet gleichfalls in der ersten Hälfte des Trecento und bei der Wiedergabe
desselben Ereignisses, auf der Tafel eines Nachfolgers von Meo da Siena in der Pinakothek zu Perugia
(Gal. Nr. 81-76).
Auf der Mensa selbst befindet sich der Schrein des uns aus den Voruntersuchungen bekannten, dem
hl. Leonhard in S. Marco zu Venedig geweihten Seitenaltars, den die 1345 datierte Verkleidung der
Pala d’oro überliefert (Abb. 63). Es ist wohl kaum ein bloßer Zufall, daß in Italien die erste monumentale
Anlage mit dem Sarkophag eines Heiligen hinter dem Hochaltar in einem Gebäude der Mendikanten-
bewegung festzustellen ist. Durch die mit ihrer Struktur verbundene Freiheit des Hochaltars bieten die
Kirchen der Bettelorden für eine solche Maßnahme und damit auch insbesondere für die Aufstellung von
Retabeln an diesem Ort die günstigsten Voraussetzungen. Hinzu kommt das bereits oben erwähnte
Moment der in Italien durch die Mendikantenarchitektur verbreiteten Rippenkonstruktionen und des
Rechteckchores, die nach einer sofortigen Nutzbarmachung dieser Gelegenheit verlangen. Durch die
Zerteilung bzw. Aufhebung der Konchenfläche und die hiermit notwendige Preisgabe des Apsisbildes
wird die Forderung nach einem neuen Kultbild gestellt, die nur noch durch das Retabel zu erfüllen ist,
das hinter der Mensa allgemein sichtbar, die Aufmerksamkeit in ähnlicher Weise wie vorher das Kalotten-
mosaik zu binden vermag.
Die Anknüpfung an die Paliotti
Das älteste in der Toskana erhaltene breitformatige Tafelbild ist die 1,03 x 1,96 m messende, 1215
inschriftlich datierte Pala in der Pinakothek zu Siena (Abb. 142; Garr. 357)41, die aus der Abbazia
SS. Salvatore e Alessandro bei Castelnuovo Beradenga stammt und durch das flache Relief des mittleren
Kompartiments mit der Darstellung der Majestas Domini und durch die Ornamente des gleichfalls
plastischen, vergoldeten Rahmenwerks die Anknüpfung an die Metallfrontalien augenfällig macht. In den
Seitenfeldern sind jeweils drei Szenen aus der Geschichte der Auffindung und Erhebung des hl. Kreuzes
wiedergegeben. Die gleiche Nähe zu den Metallantependien ist bei der ihrer seitlichen Teile beraubten
Flachrelieftafel der Madonna in trono aus dem Dom zu Siena festzustellen42, die im Rahmen, in den
Nimben, am Thron und an der Fußbank noch die Eintiefungen zur Befestigung des Edelsteinschmucks
aufweist (Abb. 144; um 1225; Garr. 377; jetzt Siena, Opera del Duomo; 0,97 x 0,67 m). Das dritte Stück
aus diesem Bereich ist das wieder nur als Fragment erhaltene, in der Figurendarstellung schon auf plastische
Motive verzichtende Bild der vor den Mauern Sienas gelegenen Kirche S. Maria a Tressa (Abb. 145;
Garr. 378; um 1230). Die Ansätze der dreizonigen Seitenkompartimente ermöglichen eine Vorstellung
von der ursprünglichen Gestalt der Pala, die die thronende Muttergottes zwischen den Szenen der Jugend-
geschichte Christi zeigte (Verkündigung, Visitatio, Geburt?, Anbetung der Heiligen Drei Könige, Dar-
stellung im Tempel, Flucht nach Ägypten?).
Vielleicht können auch die in Abbildungen leider nicht zugänglichen Fragmente im italienischen Kunst-
handel, die Garrison als der Malweise des Tressa-Meisters verwandt bezeichnet und um 1225 ansetzt,
hierzugerechnet werden, obwohl der Gegenstand des Mittelfeldes unbekannt ist, da sich neben den drei
Szenen aus dem Leben von Heiligen auch die Darstellungen der Verkündigung, der Heimsuchung und
der Geburt Christi darunter befinden, die auf eine thronende Marienfigur schließen lassen (Garr. 364).
Ungefähr gleichzeitig oder eher noch etwas älter ist der im vorletzten Jahrzehnt des 13. Jhs. von Mar-
garito d’Arezzo restaurierte Flügelaltar der thronenden Muttergottes im Sanktuarium S. Maria di
Vertighe bei Monte S. Savino (Abb. 147; Garr. 358), auf dessen Flügeln bislang noch nicht identifizierte
Heilige sichtbar sind.
Die schon durch die Tatsache der Erneuerung nahegelegte Frühdatierung an den Anfang des Dugento,
geht aus den noch unveröffentlichten Untersuchungen von Monsignore Girolami43 hervor, der eine
Publikation des Bildes vorbereitet, die sich auf neue Urkundenfunde stützt.
Auf der Tafel in der Londoner Nationalgalerie thront die Muttergottes nach dem Vorbild des Majestas
Domini-Typus in einer von den Evangelistensymbolen flankierten Mandorla (Abb. 146; Garr. 365;

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