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SCHAUEN UND WISSEN

„Gott denkt in Bildern."

Durch die Beziehung auf Traum und Spiel haben wir für die
Würdigung aller bildnerischen Versuche des Kindes den ent-
scheidenden Ausgangspunkt gefunden. Zum „Träumen" in Vorstellung
und Wort, zum „verwirklichenden" Spielen als solchem kam uns das
Spiel im Bilden. Indem das Kind „sich eins malt", aus rhyth-
mischer Kraft einen Strich, eine Farbe lustvoll spielend hervor-
bringt, schafft es sich allmählich ein Objekt, das in seiner geträumten
Welt etwas bedeutet und welches so weit mit Kennzeichen
ausgestattet wird, um vom Spielenden in jener Rolle eindeutig
festgehalten werden zu können. Da es den Strich und die Farbe
willkürlich setzen und zusammenstellen kann, während z. B. der
Klotz, das Spielzeug, mit dem es spielt, unverändert bleibt und ihm
oft schon seine bestimmte Rolle vorschreibt, besteht die Möglichkeit,
die Kennzeichen der hervorgebrachten Gebilde auch tatsächlich mehr
oder weniger dem inneren Phantasievorstellen anzupassen, —
wovon nach Alter und Veranlagung verschiedener Gebrauch ge-
macht wird. Die so hervorgebrachten Gebilde entsprechen nicht
selten dem inneren Wunsch des Kindes genauer, als wenn es seine
fertigen oder ganz gestaltlosen Spielsachen aufstellt und zu be-
stimmten Erscheinungen zu ordnen sucht. So erwächst im bildenden
Spiel eine Bildersprache fürs Auge, eine Bilderschrift, zu-
nächst zum Selbstgebrauch des Kindes, mittelbar aber auch für den
objektiven Betrachter. Die Bildersprache liegt dem Kinde mindestens
ebenso nahe, wie die Umsetzung in das Wort, durch welches sich
das verträumte Kind in einen angenommenen Zusammenhang ver-
setzen will. Ja, man könnte meinen, daß die Bildersprache statt und
neben der Lautsprache, die Verbildlichung statt der Verlautbarung
gerade dem kleinen Kinde besonders naturgemäß sei, daß es mit
einer anschaulichen Zeichensprache noch mehr in seinem eigensten
Bereiche bleibe! Denn die Art, wie das Kind und alle kindlichen
Menschheitsstufen die Welt verarbeiten, ist eine „imaginative":
äußere Eindrücke und ihre Erinnerungsbilder, anschauliche Einzel-
vorstellungen also, werden im geistigen Haushalt nicht sogleich in

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