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elften Jahrhundert werden dann die beiden Varianten des mittelby-
zantinischen Typs des toten Gekreuzigten vollständig ausgebildet.
Die Arme sind entweder in einer Art Orantenhaltung an den Körper
herangezogen (Abb.146) oder spannen sich in einer Kurve nach oben
zum Kreuzquerbalken (Abb.147). Die Ausbiegung des Körpers wird
stärker, dabei wird die kontrapostische Differenzierung der Beine
aufgegeben. Die Neigung des Hauptes mit den geschlossenen Augen
ist verschieden stark, sie reicht vom leichten Neigen bis zum Lie-
gen des Hauptes auf der rechten Schulter. Der neue Typus hat sich
nach dem Bilderstreit nicht sofort durchgesetzt. Der frühbyzanti-
nische Typ des lebenden Gekreuzigten lebt noch lange nach, auch
Übergangs- und Mischformen halten sich länger.

^ Dieser einheitlichen Entwicklung in Byzanz steht im Abendland
eine große Vielzahl von Kruzifixtypen gegenüber. Vorherrschend
ist zunächst der am Kreuze stehende oder schwebende, lebende Tri-
umphator, der in dem ganzen von uns behandelten Zeitraum üblich
bleibt. Doch bereits um 830 ließ sich im Utrechtpsalter die Her-
ausbildung der Darstellung des am Kreuze hängenden Kruzifixus be-
obachten (Abb.97,98,95»96). Diese Kruzifixbilder weichen von al-
lem ab, was vorher an Typen bekannt war. Christus hängt. Das Ge-
wicht des Körpers zieht die Arme nach unten. Die Finger sinken
herab. Das Haupt ist auf die Brust gesunken (Abb.95,96). Nur in
einer Zeichnung des Utrechtpsalters (Abb.96), deren Thema das
Blut der Eucharistie aus der Seitenwunde des Herrn ist, ist der
Gekreuzigte wohl mit geschlossenen Augen dargestellt. Dieser er-
sten abendländischen Darstellung des toten Gekreuzigten folgt um
850 auch in sakramentalem Zusammenhang die auf dem Elfenbein des
Perikopenbuchdeckels (Abb.100). Hier sackt der Leib nach links.

Die Beine sind aufrecht wiedergegeben, ursprünglich war wohl ein
Stehen auf einem Suppedaneum dargestellt. Zur-Seite-Sacken des
Körpers ist auf anderen Kruzifixbildern, die aber nicht den toten
Gekreuzigten darstellen (Abb.101,102), noch viel stärker gewor-
den. Erst später wird dieser neue Typ des toten Gekreuzigten auch
in die repräsentative Kreuzigungsszene mit Longinus und Stepha-
ton übernommen. Für den karolingischen Typ des toten Kruzifixus
gibt es keine byzantinischen Vorbilder. Er entstand in einer Zeit,
 
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