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Nr. 4. HEIDELBERGER 1852.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Baader: Volks sagen aus Baden.
(Schluss.)
Unter uns geschieht hinsichtlich der geistigen Behandlung· und
Bildung des Volkes schon längst etwas ganz Aehnliches durch die
Art der Volksschulbildung, welche dem Volke bis zu dem ärmsten Hir-
tenknaben hinab durch Geselzeszwang auferlegt wird, durch die finanziel-
len Spekulationen unserer gedruckten Literatur, durch die Stratageme der
kirchlichen und polititischen Parteien. So ist es dahin gekommen, dass
der sonst so kräftige und frische Wald der Volkssage durch diese Art
der Beförsterung sehr gelichtet ist, der Boden immer mehr auslrock-
net und der Unfruchtbarkeit entgegengeführt wird. Bei dem Sammeln
der alten Volkssagen, dessen eifrige Fortsetzung überall aus dem ange-
deuteten Grunde höchst wünschenswerth ist, bleibt aber die Hauptbedin-
gung immer: Echtheit und urkundliche Treue. Hier auf diesem Gebiete
nur keine Verschönerungscommissionen. Wir wollen die Sage gerade so
wie sie im Volke lebt. Hat man einmal ein vollständiges Archiv von
treuen urkundlichen Aufzeichnungen der Sagen einer jeden Gegend un-
sers deutschen Vaterlandes, dann mag die individuelle Thätigkeit aus die-
sem Schachte ihr Erz zu weiterer Verarbeitung holen; nur gebe man uns
nicht eigenes Fabrikat für das Erzeugniss des Volkes. Es wäre dies ge-
rade so, wie wenn der Geolog oder Mineralog bei den Gebirgsarten und
Mineralien, die er sammelt, oder der Botaniker bei seinen Pflanzen, in
Form und Farbe allerhand zusetzen, hinwegnehmen und verändern wollte.
Die alten Volkslieder und Voikssagen sind gleichfalls Naturprodukte, und
verdienen um so mehr Achtung und treue Bewahrung, je höher der Mensch
über Stein und Pflanze steht.
Der Verfasser des vorliegenden Buches gehört zu diesen treuen und
gewissenhaften Sammlern von Volkssagen. Diese Art des Sammelns ist
um so verdienstlicher, weil, wie bemerkt, der ganze Werth und Reiz
der Volksagen verloren geht, wenn diese urkundliche Treue fehlt: dann
aber auch, weil dazu nicht blos eine mechanische Thätigkeit gehört, son-
dern Eigenschaften, welche sich nicht so allgemein finden. Es gehören
dazu: eine wrahre und ausdauernde Liebe zur Sache; Stimmung und Ge-
schick mit denjenigen Theilen des Volkes umzugehen, bei denen dieser
XLV._Jahrg. 1, Doppelheft. 4
 
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