Nr. 13. HEIDELBERGER 1852.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Dr. F. W. H. Wasser sc hieb en, die Bussordnungender abendlän-
dischen Kirche nebst einer rechtsgeschichtlichen Einleitung. Halle.
Graeger. 1851.
Dr. Karl Hildenbrand, Untersuchungen über die germanischen Pö-
nitentialbücher mit besonderer Beziehung auf den von der Record-
commission in den ancient laws and Instituts of England heraus-
gegebenen liber poenitentialis Theodori a. C. c. Würzburg. Stahel-
sche Buchhandlung. 1851.
Auf dem Felde des vorgratianischen Kirchenrechts ist noch viel zu
thun. Der erst genannte Verf. ist unter den deutschen Gelehrten der
neuesten Zeit für diesen wissenschaftlichen Zweck der emsigste Schrift-
steller. Es ist eine bekannte Sache, dass in der ersten Zeit der Ausbrei-
tung des Christenthums einige Verschiedenheiten zwischen der orientali-
schen und occidentalischen Kirche stattgefunden, die aber mehr auf sitt-
lichen Entartungen, wie auf einer wirklichen Verschiedenheit christlicher Lehr-
sätze und Disciplin beruhten. In jener Zeit regte sich im Orient der
wissenschaftliche und practische Sinn, denn hier war eine Bildung vor-
ausgegangen und behalten, im Occidente hatten die Völkerwanderungen
die vorausgegangene Bildung zerstört, und eine neue Bildung der ger-
manischen Völker musste auf christlicher Denkart begründet werden. Dort
musste manchmal in der Disciplin verdorbenen Sitten nachgegeben werden,
hier konnte das moralische Princip der Kirche durchgeführt werden. Was-
serschieben lässt sich in seiner Sammlung auf die orientalische Kirche
nicht ein : hier hat das grösste Verdienst über die poenitentiae der be-
rühmte Orientalist Morinus, dem wir nur vorwerfen müssen, dass er an-
deren Studien als den kirchenrechtlichen hingegeben, nicht immer von
dem ächt historischen Geist kirchlicher Einrichtungen belebt war. Man sehe
nur die Noten zu Devoti über den Morinus. Wasserschieben hat auch vor der
Hand nur den Zweck, ein gewisses Material zusammenzustellen, welches durch
fortgehende Forschungen erst gesichtet und endlich im kirchlichen Sinne
zur richtigen Auffassung gebracht werden muss. Das gedachte Werk liegt
also von dieser Seite noch ziemlich roh vor uns, und würde es in einer
Zeit erschienen seyn, wo die theologischen und kirchenrechtlichen Studien
nicht offenbar einer bessern Zukunft entgegengehen, so würden solche
Werke, wie einst bei der Prüfung der pseudoisidorischen Decretalen, eine
XLV. Jahrg. 2. Doppelheft. 13
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Dr. F. W. H. Wasser sc hieb en, die Bussordnungender abendlän-
dischen Kirche nebst einer rechtsgeschichtlichen Einleitung. Halle.
Graeger. 1851.
Dr. Karl Hildenbrand, Untersuchungen über die germanischen Pö-
nitentialbücher mit besonderer Beziehung auf den von der Record-
commission in den ancient laws and Instituts of England heraus-
gegebenen liber poenitentialis Theodori a. C. c. Würzburg. Stahel-
sche Buchhandlung. 1851.
Auf dem Felde des vorgratianischen Kirchenrechts ist noch viel zu
thun. Der erst genannte Verf. ist unter den deutschen Gelehrten der
neuesten Zeit für diesen wissenschaftlichen Zweck der emsigste Schrift-
steller. Es ist eine bekannte Sache, dass in der ersten Zeit der Ausbrei-
tung des Christenthums einige Verschiedenheiten zwischen der orientali-
schen und occidentalischen Kirche stattgefunden, die aber mehr auf sitt-
lichen Entartungen, wie auf einer wirklichen Verschiedenheit christlicher Lehr-
sätze und Disciplin beruhten. In jener Zeit regte sich im Orient der
wissenschaftliche und practische Sinn, denn hier war eine Bildung vor-
ausgegangen und behalten, im Occidente hatten die Völkerwanderungen
die vorausgegangene Bildung zerstört, und eine neue Bildung der ger-
manischen Völker musste auf christlicher Denkart begründet werden. Dort
musste manchmal in der Disciplin verdorbenen Sitten nachgegeben werden,
hier konnte das moralische Princip der Kirche durchgeführt werden. Was-
serschieben lässt sich in seiner Sammlung auf die orientalische Kirche
nicht ein : hier hat das grösste Verdienst über die poenitentiae der be-
rühmte Orientalist Morinus, dem wir nur vorwerfen müssen, dass er an-
deren Studien als den kirchenrechtlichen hingegeben, nicht immer von
dem ächt historischen Geist kirchlicher Einrichtungen belebt war. Man sehe
nur die Noten zu Devoti über den Morinus. Wasserschieben hat auch vor der
Hand nur den Zweck, ein gewisses Material zusammenzustellen, welches durch
fortgehende Forschungen erst gesichtet und endlich im kirchlichen Sinne
zur richtigen Auffassung gebracht werden muss. Das gedachte Werk liegt
also von dieser Seite noch ziemlich roh vor uns, und würde es in einer
Zeit erschienen seyn, wo die theologischen und kirchenrechtlichen Studien
nicht offenbar einer bessern Zukunft entgegengehen, so würden solche
Werke, wie einst bei der Prüfung der pseudoisidorischen Decretalen, eine
XLV. Jahrg. 2. Doppelheft. 13