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Unsere moderne Bildung und die Anarchie.

alle die geheimen Briefe gelesen; die Kunst, zu entziffern und unmerkbar
Briefe zu öffnen, ist unglaublich weit gediehen. — (Sehr schön!} Und
Euer Tugendbund (war vom König Friedrich Wilhelm III. be-
reits 1810 aufgelöst}, die frechen und revolutionären Reden Eurer Je-
naischen Professoren, der revolutionäre (d. i. gegenkaiserlich - rheinbünd-
lerische} Samen, den sie überall unter die Jugend ausstreuen! Sind nicht
die Vorposten des Generals Dur litte zu Jena durch als Kosaken ver-
kleidete Studenten (!} alarmirt worden“ (S. 288} ? Ich muss ein abschrec-
kendes Beispiel von Bestrafung geben; noch diesen Abend wird
das 5. Armeecorps in Jena einziehen; dort auf meinem Schreibtisch liegt
die Ordre an den General Bertrand, die Stadt niederzubrennen; ich
bin eben im Begriff, sie zu unterzeichnen.“ — Mit genauer Noth gelang
es Müllern und dem edlen französischen Gesandten in Weimar, Saint
Aign an, den tollen Befehl rückgängig zu machen. Der Kaiser, welcher
anfangs wenigstens die Häuser der Professoren verbrannt wissen wollte,
widerrief und zerriss ihn vollends, fortan ruhiger und manierlicher. So
wechselten bei dem vulkanischen, durch das Glück verwöhnten Mann die
Ansichten und Beschlüsse; ihm fehlten Mass und Selbstbeherrschung; da-
rum unterlag er bei allem feldherrlichen und politischen Genie nicht so-
wohl dem beliebten Verhängniss als den eigenen Leidenschaften und Fehl-
griffen. Kopieen des ausserordentlichen Menschen sind jetzt bei wesentlich
veränderter Zeitlage rein unmöglich, und wo sie etwa auftreten sollten,
muss den frevelhaften, leichtfertigen Spieler ein rasches, wenn auch blu-
tiges Ende erreichen.
Möchten aus dem Nachlass des Kanzlers Müller bald weitere Denk-
würdigkeiten, wenn auch stillerer Art, der Oeffentlichkeit übergeben wer-
den! Sie erläutern immerhin ein tragisches, an Grossthaten und Schänd-
lichkeiten reiches Zeitalter.
Den 31. Dezember. KortÜUl.

Unsere moderne Bildung im Bund mit der Anarchie. Stuttgart. Ad.
Bechers Verlag 1852.
Die Frage, welche diese kleine Schrift erörtert, steht allen andern,
die unsere gesellschaftlichen Zustände berühren, an Wichtigkeit voran. Es
ist die Frage von dem Verhältniss der jetzt vorherrschenden Bil-
dung zu der jetzt obwaltenden Zerrissenheit der gesellschaft-
lichen Ordnung. Der Verf. unternimmt die Beweisführung: dass diese >
gesellschaftliche Anarchie unvermeidlich aus der Beschaffenheit jener Bil-
 
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