Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
v. Wolzogen’s Memoiren.

259

hat ein sehr bewegtes, an Schicksalen und Beobachtungen reiches Leben
geführt. Geboren zu Meiningen (1773), auf der Stuttgarter Karlsschule
erzogen, trat er aus dem Würtembergischen in den Preussischen Kriegs-
dienst (1794—1802), versah drei Jahre lang (1802—1805) die Stelle
des Erziehers bei dem Prinzen Eugen von Würtemberg, machte dann als
Flügeladjutant des ersten Würtembergischen Königs Friedrich und als
Stabsoffizier die kriegerischen Unternehmungen von 1805 —1807 mit,
ging nach dem Preussischen Unglück in den Russischen Dienst (1807),
machte die Feldzüge in Russland (1812), Teutschland (1813) als hö-
herer Stabsoffizier mit, besuchte den Wiener Congress und nahm wiederum
Preussischer Offizier an den Ereignissen γοη 1815 thätigen Antheil, wirkte
zwei Jahre (1815—1817) in Berlin, achtzehn Jahre hindurch 1818—·
1836 als Preussischer Bevollmächtigter bei der Militär - Commission der
Bundesversammlung zu Frankfurt und starb als Preussischer General nach
44jähriger Laufbahn am 4. Juli 1845 zu Berlin. Die Lebensnachrichten
schliessen mit dem Frankfurter Act. Von Jugend auf Soldat, dafür nach
Kräften wissenschaftlich und praktisch ausgebildet, auch mit allgemeinen
literarischen Kenntnissen für den Massstab seines Berufes wohl ausgerüstet,
verständig und fest, ein kühler und scharfer Beobachter dessen, was in
seiner Nähe geschah, als hoher Militärbeamter in den reifem Lebensjahren
in die Entwürfe entscheidender Persönlichkeiten eingeweiht und mit dem
Vertrauen derselben beehrt, ·— so äusserlich gestellt kann Herr von W ο 1-
zegen als vollgültiger Zeuge weltgeschichtlich wichtiger Begebenheiten
begründeten Anspruch auf Glaubwürdigkeit machen. Seine Memoiren klä-
ren in der That manches Dunkel auf und geben vielem, was bisher im
Dämmerlicht schwebte, volle Beleuchtung. Dagegen tritt nicht immer über
widerwärtige und unbeliebte Persönlichkeiten und Umstände jenes ruhige
und bemessene Urtheil hervor, ohne welches die Rückblicke eines
kundigen, lebensfertigen Mannes den anziehenden Grundzug der Aus-
söhnung nnd objektiv-historischen Unparteilichkeit verlieren. Die
Stimmung des Verfassers war, scheint es, bisweilen zur Unzeit bitter,
seine Kritik daher, gegenüber andern Berichten und Anschauungen, hier
und da zu schneidend als dass man ohne weiteres einwilligen oder den
Spruch für unumstösslich halten könnte. In solchen, wenn auch seltenen
Fällen einer gewissen, man möchte sagen, doctrinären Vornehmheit
und Morosität muss natürlich auch der Gegentheil beachtet werdeu,
das bekannte „audiatur et altera pars“ -/gelten. Dem Verdienst des Bu-
ches, von welchem hier nur bei den engen Gränzen der Zeitschrift eine
kurze Uebersicht gegeben wird, geschieht dadurch nicht der mindeste
17*
 
Annotationen