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114 Annuaire de la Socidte archeolog. de la Province de Constantine.
Der zweite Aufsatz des H. Cherbonneau betrifft eine ara-
bische Inschrift auf einer Marmorplatte, die im Palaste des Gouver-
neurs von Constantin aufbewahrt wird. Er brachte durch Erkundi-
gungen bei den ältesten Männern der Provinz heraus, dass sie einst
zur Moschee des Suk-al-Rezel gehört, zugleich aber auch, dass der
Name des Stifters verwischt und statt dessen der des Bey Husein
eingegraben wurde, was auch auf der Platte deutlich zu sehen ist.
Der dritte Aufsatz endlich ist überschrieben: „Les ruines de
Carthage d’aprds les derivains Musulmans.“
Der Leser erwartet natürlich keine neuen historische oder an-
tiquarische Aufschlüsse über diese alte Königin der Meere von mu-
selmännischen Autoren. — Den Berichten der Araber liegen, wo es
sich um Geschichte und Alterthümer fremder Völker handelt, Phan-
tasie und Tradition, mitunter auch reine Erdichtung, mehr als nüch-
terne Beobachtung und kritische Studien zu Grunde. Auch will
H. Cherbonneau nur bei dieser Gelegenheit zeigen, wie weit
ihre Unwissenheit auf diesem Gebiete reicht, wie wenig sie von
Karthago wussten, wie diese Stadt wirklich vor der Eroberung der
Römer war, oder selbst wie sie wieder unter den Byzantinern empor-
geblüht. Berichtet ein Araber, der in Bezug auf muselmännische
Traditionskunde in Ansehen steht, irgend eine Abgeschmacktheit,
die vielleicht ein unwissender Gefangene erfunden hat, so wird sie
bis zu den neuesten Historikern herab wiederholt und ohne weitere
Untersuchung geglaubt. So z. B. wird erzählt: Karthago habe
100,000 Städte beherrscht und bei dem Kriege, den diese Stadt ge-
gen Rom geführt, habe man nur einen Mann aus jeder Stadt ge-
wählt und so ein Heer von 100,000 auserwählten Männern zusam-
men gebracht. Je wunderbarer eine solche Nachricht klingt, um
so mehr findet sie Beifall, bei einem Volke, von so lebendiger Ein-
bildungskraft und so grosser Gleichgültigkeit gegen Alles was ausser-
dem mohammedanischen Glauben und Reiche liegt. Mohammed
selbst können wir aber nicht mit dem gelehrten Verf. für diese Ab-
neigung gegen tiefere Studien verantwortlich machen. Eine Wis-
senschaft von der er selbst, auf seiner niedern Bildungsstufe, keinen
Begriff hatte, konnte er weder verachten noch anempfehlen. Wenn
die Araber auf dem Gebiete der Geschichtskunde in ihrer Unwissen-
heit verharrten, so lag die Ursache mehr im Mangel an Uebersetzun-
gen der classischen Historiker und an lebhaftem Interesse an der
Vergangenheit fremder Völker, zu einer Zeit wo sie selbst nach der
'Herrschaft über die alte Welt strebten, als in religiöser Scheu, sie
möchten darin etwas finden, was ihrem Glauben widerspricht. Hin-
derte sie doch ihr Glaube nicht daran, nicht nur die mathematischen
und naturwissenschaftlichen, sondern auch die philosophischen Werke
der Griechen zu studieren, obgleich sie hier im voraus darauf ge-
fasst sein mussten, auf Ansichten zu stossen, die mit den Dogmen
des Islams schwer zu vereinen sind. Ein Haschen nach Wunder-
barem ist dem Orientalen eigen und findet sich nicht bloss in den
 
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