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Combe: Die Wissenschaft u. Drossbach: Harmonie u. s. w.

der Vernunft und der Naturgesetze hätten ausüben müssen. Es ist
somit die wichtigste Frage: woher kommt dieses Missverhältniss in
dem Fortschritt der wissenschaftlichen und der sittlichen Ausbildung?
(Vorrede S. IV—XI). Uns bleibt nichts anderes, als anzunehmen,
dass das, was wir für Ausbildung halten, keine wirkliche, wahre,
richtige sein kann, dass die Ursache davon entweder in der feh-
lerhaften Entwicklung unserer sittlichen Anschauungen (Anlagen)
oder in der fehlerhaften Ausbildung unserer Naturanschauungen oder
in beiden zugleich liegen muss. Darüber besteht ein Zwiespalt, im
Kampfe von Parteien, der die Ordnung der Gesellschaft beständig
bedroht, und das Gemiith der Einzelnen mit Unruhe erfüllt. Und
doch ist zwischen Natur- und Moralgesetz kein Widerspruch pS. XIV).
Nach des Verfassers Ansicht kann der Widerspruch nur in unsern
subjectiven Ansichten von Natur und Moral liegen. Auf diesen Punkt
angelangt, wird die Erwartung des Lesers aufs Höchste gespannt,
wie der Verfasser den dargestellten Widerspruch lösen werde. Die
Spannung der Erwartung wird noch durch die Bemerkung des Verf.
(S. XVII) gesteigert: „nur die Ueberzeugung von persönlicher Un-
sterblichkeit erzeuge die wahre aufopfernde Liebe; der Zweifel an
jener führe zur Verzweiflung.“ Doch bald dararauf muss des Le-
sers so hoch gespannte Erwartung dem höchsten Erstaunen weichen,
indem der Verfasser mit der Erklärung herausrückt, dass er die Lö-
sung jenes Widerspruches und Zwiespaltes zwischen der Wissenschaft
und der Sittlichkeit und Religion in der Thatsache aufgefunden zu
haben glaube, dass alle Dinge, alles was existirt, in Atomen, das
ist in nicht theilbaren Urelementen bestehe, und dass ihre Thätigkeit
einzig auf der Kraftäusserung dieser Atome beruhe. Die Erkennt-
niss dieser (vorgeblichen) Thatsache, in welcher der Verfasser die
höchste Grundwahrheit erblickt, ist nach ihm das wichtigste Ergeb-
niss der menschlichen Forschung. Unsere jetzige Wissenschaft sei
hingegen nicht vermögend, sagt der Verfasser, den Glaubenden die
Selbstständigkeit und Ewigkeit des menschlichen Wesens zu recht-
fertigen; es müsse mithin die verkehrte Anschauungsweise der Natur
vor Allem berichtiget, der durch sie erschütterte Glaube in eine
wissenschaftlich und erfahrungsmässig begründete Ueberzeugung ver-
wandelt werden, und dies geschehe durch die Anerkennung jener
Thatsache und Grundwahrheit von der allgemeinen Kraftäusserung
der Atome im ganzen Gebiete sowohl der geistigen und sittlichen,
als der physischen Thätigkeit. Natur und Geist, sagt der Verf.
(S. XX) mögen erkannt werden als ungetheilten gleichen Wesens
mit einander. Nach dem Verfasser soll nämlich alles Geistige, sowie
alles Materielle in Atomen bestehen, und selbst der höchste Geist ein
Atom sein, dessen Kraft sich auf alle andern Atome erstreckt.
Dass die ganze Körperwelt aus lauter Atomen bestehe, ist eine
Hypothese, die lange und von Vielen angenommen, aber noch nie
als Thatsache erwiesen worden. Denn mit dem Wort: Atom kön-
nen wir weder eine Vorstellung oder einen Begriff noch eine Empfin-
 
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