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222 Hertzberg: Geschichte Griechenlands unter den Römern.

Bemerkungen zur Erklärung dieser der römischen Geschichte der
späteren Zeit den Weg bahnenden socialen Entwicklung zu verwerthen
verstanden. Wenn man die Entartung des griechischen Charakters
zeitlich begrenzen will, so wird man die Unterwerfung durch Mum-
mius als den Ausgangspunkt dafür ansehen. Die Griechen müssen
vorher bei aller Vorkommenheit ihres einheimischen Verfassungs-
lebens doch, durch das Bewusstsein der Freiheit gestärkt, eine
verhältnissmässig ehrenhaftere Empfehlung haben aufweisen können,
als nachmals, wo die Bildung der Jahrhunderte nur noch als Dung
der römischen Civilisation passirte, über dem man die Epigonen
der Phidias und Praxiteles, der Sophokles und Euripides vergass
oder verwarf.
Für das römische Reich überhaupt waren die fünfzig Jahre
von 145 bis 89 v. Chr. nicht so ruhig und ungestört verflossen
wie speciell für Griechenland. Die Nachbarländer waren durch
grosse Ereignisse in ihren Tiefen erschüttert worden, z. B. Asien
durch den Krieg, den Aristonikus, ein natürlicher Sohn des zwei-
ten Eumenes, nach dem Ableben des Attalos III. um den Besitz
des pergamenischen Reiches, unterstützt von asiatischen Griechen,
mehrere Jahre gegen Rom führte (132 —139). Noch weniger als
hiervon, wurde das europäische Griechenland von dem Cimbern-
kriege berührt, obwohl (nach Florus) die Thraker im Jahr 114
sehr weit nach Süden (bis nach Thessalien) vordrangen. Vergl.
Mommsen, R. G. Bd. II. S 171 ff. Endlich verhinderte der jähe
Untergang des Suturninus und das Fiasko des C. Marius, dass
Achaia wenigstens von Ansiedlungen römischer Bürger verschont
blieb (im Jahr 100).
Die Zeit der Ruhe wurde bald darauf von einer blutigen Ka-
tastrophe unterbrochen, welche in der kurzen Zeit von fünf Jahren
(88 — 83 v. Chr.) Griechenland ruinirten, wie in seinen schlimm-
sten Tagen. Es war die Zeit, wo Mithridates, der den ganzen
asiatischen Orient durch den Ruf seiner Erfolge als Feldherr in
Bewegung gesetzt hatte, den römischen Interessen durch seine er-
obernde Politik gefährlich wurde. Durch seine Energie eine Aus-
nahme unter seinen Ranggenossen seit der Ausartung der Seleuki-
den und Ptolmäer, durch seinen Hass gegen Rom das Andenken
an Hannibel erneuernd, die geheime Ursache der Barbarenangriffe
von Norden her auf die makedonische Provinz, veranlasste er im
Jahr 89 durch seine Uebergriffe gegen kleinasiatische Völker einen
Bruch mit Rom, dem im Jahre darauf der Feldzug folgte.
Den schwachen'italischen Streitkräften der Römer, sowie ihren
zwar zahlreichen, aber meist wenig brauchbaren Aufgeboten ihrer
asiatischen Verbündeten in Kleinasien überlegen, kündigte er sich
zugleich durch seine gewinnende Politik, S. 343, als einen Befreier
vom römischen Joch an. Mit Jubel aufgenommen, konnte er bald von
Ephesos aus jenen grausamen Blutbefehl erlassen, der hunderttau-
send Menschen römischer und italischer Abkunft den Tod dictirte,
 
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