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P. Janet: Le cerveau et la pens6e.

müssen ganz, wie diese, den Uebergang vom Materiellen zum Im-
materiellen, von der Ausdehnung zum Gedanken erklären. Indem
der Spiritualismus Geist und Materie vollkommen trennt, hat er
die Schwierigkeit zu lösen, wie der Körper auf den Geist und die-
ser auf jenen wirken könne. Aber die Gegner des Spiritualismus
haben eine noch viel schwierigere Frage zu beantworten, wie der
Körper Geist werde. Mag man, wie man will, den Gedanken er-
klären , er ist eine geistige, unter keiner sinnlichen Gestalt vor-
stellbare Erscheinung. Ein denkender Körper ist ein sich in Geist
umwandelnder Körper. Man will sich damit helfen, dass man das
Was und das Wie unterscheidet. Aber es handelt sich ja nicht
um die Frage, wie man denkt sondern darum, was das ist, wel-
ches denkt. Wir wissen das Wie des Gedankens nicht, aber wir
wissen gewiss, dass zwischen dem Gedanken und seinem Subject
kein Widerspruch stattfinden kann. Der Gedanke hat zum Grund-
charakter die Einheit und kann darum nicht das Attribut eines
zusammengesetzten Subjectes sein, so wenig ein Cirkel ein Viereck
ist. Wir wollen von den Materialisten nicht wissen, wie das Hirn
denkt; denn wir können auch nicht erklären, wie die Seele denkt.
Aber, da die Einheit des Gedankens mit der Annahme eines orga-
nischen Substrates unvereinbar ist, sagen wir, dass er das Attribut
eines nicht organischen Subjectes sei, dessen wesentlicher Charakter
die Einheit ist (S. 170). Man kann mit geringerer Schwierigkeit be-
greifen, dass ein wesentlich einheitliches Subject ein Bewusstsein
von seiner Einheit hat. Es ist die Natur des einheitlichen Sub-
jectes zu denken, ohne dass man das Wie erklären kann. Wie
kann aber, wendet man ein, ein nicht ausgedehntes Wesen die
Ausdehnung denken? Wenn die Seele, wird S. 172 weiter ent-
wickelt , ausgedehnt und zusammengesetzt wäre, dann wäre die
Wahrnehmung der Ausdehnung unmöglich. Die Wahrnehmung der
Ausdehnung ist nicht ausgedehnt. Die Wahrnehmung des Vierecks
ist kein Viereck, noch die eines Dreiecks ein Dreieck. So bald die
Vorstellung der Ausdehnung selbst ausgedehnt ist, fällt sie ins Ge-
biet des Objectiven, und ist nicht mehr Wahrnehmung. Das Bild
auf der Netzhaut ist auch in seiner grössten Kleinheit keine Wahr-
nehmung, so lange die Ausdehnung nicht verschwunden ist. Die
Ausdehnung ist nur Object und nicht Subject. Die Wahrnehmung
»setzt ein einfaches Subject und ein zusammengesetztes Object
voraus.« Wenn aber der Gedanke, wendet man ein, sein Princip
äusser der Materie hat, warum bat er zu seinem Entstehen und
Entwickeln unbedingt die Materie nöthig? Allerdings giebt es
keinen denkenden Geist ohne Werkzeug, keine Seele ohne Stoff.
Nur der »traurigste Aberglaube« vermeint, in dieser Welt mit sol-
chen Geistern zu verkehren (S. 179). Um auf äussere Dinge zu
wirken, muss man Werkzeuge haben, selbst zum äussern Ausdruck
des Gedankens. Aber der Gedanke ist eine innere Thätigkeit, die
nicht Aeusseres nothwendig zu haben scheint. Begreift man, dass
 
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