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Arthur Kleinschmidt

ich überlegte, ob ich ihn eintreten lassen sollte oder nicht. Da sagte
mir die Müllerin, die nochmals mit ihm gesprochen hatte, er sei von
meinem Sohne abgeschickt, den er in Münchweiler1) aufgesucht habe,
um ihm Nachrichten von mir zu geben und um seine Zustimmung
dazu einzuholen, dass er sich mir anbiete, um mir von
neuem als Führer zu dienen und mir einen Befreiungs-
plan vorzuschlagen; er habe ihn entworfen und zweifele
nicht an seinem Gelingen. Diese delikate Art, sich zu erbieten,
gab mir Zutrauen, ich liess ihn eintreten und erkannte in ihm meinen
Schulmeister wieder, der mich vor der bedrohlichen Patrouille gerettet,
indem er mir bei dem Wegzuge von der ersten Mühle geholfen hatte
(s. oben S. 106). Leicht lässt sich begreifen, dass mein Dankgefübl vom
Beginnen dieses jungen Ehrenmannes lebhaft bewegt ward: durch die
Emsigkeit seiner Nachforschungen hatte er schliesslich mein so versteck-
tes Asyl entdeckt und erbot sich, neue Gefahren mit mir zu teilen, um
mich retten zu dürfen. Nachdem ich nicht ohne Furcht den von ihm
veranstalteten neuen Plan angehört hatte, willigte ich ein, mich ihm an-
zuvertrauen ; der Müller aber, der uns bis dahin ruhig zugehört, ergrilf
barsch das Wort und sagte, das könne ja alles sehr gut sein,
er verkenne nicht, dass ich die Herrin sei, ich sei es jedoch
nicht in einer so heiklen Sache, in der ich nicht selbst über mein Los
das Urteil fälle, denn ich sei für ihn ein viel zu kostbares anvertrautes
Gut, als dass er sich unterfangen könne, mich, wenn ich ihn verliesse,
neuen Zufällen preisgegeben zu sehen; sein Pflichtgefühl und seine Ruhe,
so beteuerte er, trieben ihn, zum Herrn Pfarrer in Rubenheim, wo ich
zuerst gewohnt, zu gehen, ihn zu konsultieren, und nur nach dessen Gut-
achten könne es mit der Sache etwas werden oder nicht. Ich war zu
sehr von Bewunderung ergriffen und von solch achtungs- und ehren-
werter Handlungsweise so gerührt, dass ich mich dem Vorschläge nicht
widersetzen konnte. Ich fand sogar, dass meine Dankesschuld für diesen
wackeren Pfarrer mir das gleiche Vertrauen und die gleiche Aufmerk-
samkeit geböte. Da machte nun mein Hauswirt, ebenso gefühlvoll wie
bäurisch, vor mir Toilette und legte seinen Sonntagsstaat an, um seine
Konsultation vorzunehmen; als er zurückkam, eröffnete er mir, in der
Abenddämmerung kämen der Pfarrer und seine Schwester, um mit dem
jungen Manne zu sprechen und nach Kenntnisnahme seines Reiseplans
zu urteilen, ob er klug und annehmbar sei. So geschah es, bei dem

1) Am Glan-Flnss.
 
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