Trauma und Triumph:
Die kopernikanische Wende in Dichtung und Philosophie
Stationen der Rezeptionsgeschichte von Gryphius bis Nietzsche
SANDRA KLUWE
Mit Hans Blumenberg versteht vorliegender Aufsatz die ,kopernikanische
Wende' als Metapher für die Randstellung des Menschen in der Welt. Die mit
dieser Randstellung verbundene narzisstische Kränkung wurde von den post-
kopernikanischen Dichtern und Denkern mit teilweise triumphalem Gestus
kompensiert, wie an Gryphius, Brockes und Haller, vor allem aber an Klop-
stock gezeigt wird, dessen ,Frühlingsfeier' den Auftakt zu einer kopernikani-
schen Wende der Lyrik bildete. Auch die kopernikanische Wende der kanti-
schen Transzendentalphilosophie bedeutete eine Aufwertung des erkennen-
den Ichs, die von Lichtenberg allerdings als sprachpragmatisches Bedürfnis
entlarvt wurde. Goethes ,neuer Copernikus' gab diesem Bedürfnis unange-
fochten nach: Die kopernikanische Wende der Astronomie und die der Philo-
sophie hinderten ihn nicht, Sonnen, Planeten und Monde um den alleinigen
Zweck kreisen zu lassen, dass sich „zuletzt ein glücklicher Mensch unbewußt
seines Daseins freut". Die Romantik suchte und fand den Weltraum in ihrem
Innern, verlor sich dabei allerdings, etwa bei Jean Paul, im Abgrund eines zum
Nihilismus gewordenen Idealismus. Nietzsche entwickelte seine Lehre vom
Über-Menschen als einer Über-Kompensation der kopernikanischen Krän-
kung - und erst Freud befand, dass die dreifache Entwertung durch Koperni-
kus, Darwin und durch die Lehre vom Unbewussten ein heilsames Mittel auf
dem Wege zu einer realistischen Selbsteinschätzung der Menschheit sei.
Die kopernikanische Wende als kopernikanische Kränkung
„Der kopernikanische Umsturz ist nicht als theoretischer Vorgang Geschichte
geworden, sondern als Metapher: die Umkonstruktion des Weltgebäudes
wurde zum Zeichen für den Wandel des menschlichen Selbstverständnisses."1
' Blumenberg, Die kopernikanische Wende, S. 100.
Die kopernikanische Wende in Dichtung und Philosophie
Stationen der Rezeptionsgeschichte von Gryphius bis Nietzsche
SANDRA KLUWE
Mit Hans Blumenberg versteht vorliegender Aufsatz die ,kopernikanische
Wende' als Metapher für die Randstellung des Menschen in der Welt. Die mit
dieser Randstellung verbundene narzisstische Kränkung wurde von den post-
kopernikanischen Dichtern und Denkern mit teilweise triumphalem Gestus
kompensiert, wie an Gryphius, Brockes und Haller, vor allem aber an Klop-
stock gezeigt wird, dessen ,Frühlingsfeier' den Auftakt zu einer kopernikani-
schen Wende der Lyrik bildete. Auch die kopernikanische Wende der kanti-
schen Transzendentalphilosophie bedeutete eine Aufwertung des erkennen-
den Ichs, die von Lichtenberg allerdings als sprachpragmatisches Bedürfnis
entlarvt wurde. Goethes ,neuer Copernikus' gab diesem Bedürfnis unange-
fochten nach: Die kopernikanische Wende der Astronomie und die der Philo-
sophie hinderten ihn nicht, Sonnen, Planeten und Monde um den alleinigen
Zweck kreisen zu lassen, dass sich „zuletzt ein glücklicher Mensch unbewußt
seines Daseins freut". Die Romantik suchte und fand den Weltraum in ihrem
Innern, verlor sich dabei allerdings, etwa bei Jean Paul, im Abgrund eines zum
Nihilismus gewordenen Idealismus. Nietzsche entwickelte seine Lehre vom
Über-Menschen als einer Über-Kompensation der kopernikanischen Krän-
kung - und erst Freud befand, dass die dreifache Entwertung durch Koperni-
kus, Darwin und durch die Lehre vom Unbewussten ein heilsames Mittel auf
dem Wege zu einer realistischen Selbsteinschätzung der Menschheit sei.
Die kopernikanische Wende als kopernikanische Kränkung
„Der kopernikanische Umsturz ist nicht als theoretischer Vorgang Geschichte
geworden, sondern als Metapher: die Umkonstruktion des Weltgebäudes
wurde zum Zeichen für den Wandel des menschlichen Selbstverständnisses."1
' Blumenberg, Die kopernikanische Wende, S. 100.