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Brodersen, Kai; Gebhardt, Hans [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Weltbilder — Berlin, Heidelberg [u.a.], 47.2003 [erschienen] 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.4061#0399

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Weltbilder in Karten - Abbild oder Konstruktion der Welt?

Eine Analyse anlässlich der Berichterstattung
über den Krieg in Afghanistan

JÜRGEN CLEMENS

Aufgrund der weiten Verbreitung der Massenmedien ist davon auszugehen,
dass auch die Vorstellung von Regionen abseits gängiger Touristenpfade
überwiegend aus Printmedien und Fernsehsendungen gespeist wird. Viele
Regionen bleiben so lange „Weiße Flecken" auf den „Mental Maps" der Men-
schen, bis sie in die weltpolitischen Schlagzeilen geraten und Interessen der
„westlichen" Welt direkt berühren. Vor dem Hintergrund der von Huntington
(1997, S. 32) für das menschliche Denken und Handeln als unentbehrlich er-
achteten „vereinfachte^] Paradigmen oder Landkarten" stellt sich die Frage,
ob die Kartendarstellungen von Entwicklungsländern in Massenmedien tat-
sächlich zu einer sachlichen und „objektiven" Berichterstattung beitragen
oder verzerrte Perspektiven, „Weltbilder", direkt oder indirekt vermitteln.

Karten gelten gemeinhin als exakt und verlässlich und seit den ältesten Zei-
ten dienen sie dem Menschen als praktische Hilfsmittel (nach Kupcik 1989,
S. 9; vgl. u. a. Monmonier 1996, S. 87). Ein Blick in die Disziplingeschichte der
Kartographie zeigt jedoch, dass schon die ersten Weltkarten, mit wenigen
antiken oder islamischen Ausnahmen, und insbesondere solche im europä-
ischen Mittelalter „allerdings vom Horizont des damaligen Weltbildes be-
grenzt [waren] und [...] eher philosophische Anschauungen als wahre Kennt-
nisse von der Gestalt der Erde [widerspiegelten]" (Kupcik 1989, S. 9). Bis zur
Renaissance und zu den neuzeitlichen technischen und wissenschaftlichen
Erkenntnissen waren die Kartenzeichner gezwungen, die topographischen
Kenntnisse den Interessen der geistlichen und weltlichen Obrigkeit unterzu-
ordnen (nach Kupcik 1989, S. 11). So wurde etwa der Begriff der „Christlichen
Topographie" für künstlerische und kontemplative Ausdrucksformen vor-
herrschender Weltbilder eingeführt, welche in der Regel Jerusalem als Zen-
trum der Darstellung der bewohnten Welt, der Ökumene, in radförmigen Kar-
ten aufweisen und die Aufmerksamkeit der Kartenleser mit dem oberen Kar-
tenrand nach Osten „orientieren".

„Seit dem 16. Jahrhundert kennt man Atlanten als Sammlungen von Kar-
ten, Schaubildern und Graphiken, auf denen die Entdeckungen und die Ein-
 
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