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Heidelberger Familienblätter — 1865

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No. 1 - No. 13 (1. Januar - 29. Januar)
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Heidelberger Familienblätter.

10. Sonntag, den 22. Januar 1865.

Schwere Tage.
Eine Erzählung aus den Zeiten König Jerome's. Von Fr. Friedrich.
(Fortſetzung.)

„Hätt' ich es nicht gethan,“ wiederholte Röver, halb in Gedanken ver-
ſunken. „Ja, es wäre beſſer für uns geweſen. Ich wäre noch der Haide-
wirth, mir gehörte noch der Hof im Dorfe, ſtolz dürfte ich noch auftreten,
öffentlich mich zeigen — kein Menſch könnte mir ein Unrecht nachſagen —
und dennoch vermag ich nicht zu bereuen, was ich gethan habe. Hätteſt
Du den Grafen kennen gelernt, dieſen einfachen, ſchlichten Mann, hätteſt
Du nur einmal den ſtillen, bittenden Ausdruck in ſeinem Auge geſehen,
Du hätteſt nicht anders gehandelt wie ich, obſchon Du nur ein Mädchen biſt.“
„Weshalb haſt Du das Land nicht verlaſſen?“ entgegnete Margarethe.
„Weshalb haſt Du Dein Leben nicht in Sicherheit gebracht? Hier kannſt
Du nicht bleiben.“ ö
„Du fragſt noch?“ erwiderte der Haidewirth vorwurfsvoll.
„Deinetwegen bin ich nicht geflohen. Ich konnte und wollte mich nicht
von Dir trennen. Ich mußte Dich zuvor noch ein Mal ſprechen. Du
ſollteſt aus meinem Munde noch einmal hören, daß mein Herz nie — nie
von Dir läßt. Dein Vater hat mich ja als Räuber und Mörder geſchil-
dert, er nennt mich öffentlich ſo — weil ich mein Leben nicht gutwillig
preisgeben wollte. Ich dachte mir wohl, daß Du ihm nicht glauben würdeſt,
aber aus Deinem Munde mußte ich es hören, ſonſt hätte ich nirgend Ruhe
gefunden.“ ö * ö
Margarethe ſchwieg. Die Gedanken an den Ueberfall tauchten in ihr
wieder auf. ö ö
„Haſt auch Du mich verdammt?“ fragte Röver. „Doch nein — dann
wärſt Du nicht hierher gekommen. — Sieh, Margarethe, ich bin entſchloſſen,
das Land zu verlaſſen, vielleicht für immer, aber nur dann werde ich es
thun, wenn Du mit mir gehſt. — Fliehe mit mir, Margarethe — fliehe
mit mir!“ Er hatte ſie mit beiden Armen umſchlungen. Seine Stimme
klang bittend, flehend. ö
Margarethe ſchwieg. ö ö ö
„Antworte mir,“ fuhr er fort. „Sage ja, und ich will jubeln, daß
Alles ſo gekommen iſt, wie es gekommen iſt. Ich will Alles vergeſſen, die
einſamen finſtern Stunden im Gefängniß, die Qual, daß ich nur wie ein
Dieb mich während der Nacht aus meinem Zufluchtsorte herauswagen darf.
Ich will Alles vergeſſen, will mich glücklich fühlen, ſo glücklich, als ein
Menſch nur zu ſein vermag. Fliehe mit mir. Fürchte nicht, daß ich Dich
in's Elend führe. Für unſere Zukunft iſt geſorgt, Du ſollſt beſſer leben,
als jetzt, und wenn Dein Vater Dich enterbt, Du ſollſt es nie bereuen,
dieſen Schritt gethan zu habenn. I
Sie erlag ſeinem Flehen faſt. Ihr Herz rief freudig ja, aber Eins
mußte ſie erſt wiſſen, Eins, das ihr ſeit Tagen keine Ruhe gelaſſen hatte.
 
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