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Heidelberger Familienblätter — 1865

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No. 78 - No. 90 (2. Juli - 30. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43186#0353

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Heidelberger Familienblätter.

V 88. Mittwoch, den 26. Juli. 165.

Das zweite deutſche Bundesſchießen in Bremen.
ö ö ö Bremen, den 15. Juli. (Fortſetzung.)
Wenigſtens 30 verſchiedene Vereine ſind vertreten, jeder hat ſeine Fahne
gen Bremen geſandt, damit ſie an der Fahnenhalle während des Feſtes
prange. ö
Unter ihnen befindet ſich eine recht ehrwürdige total zerfetzte — die
Inſchrift iſt kaum noch zu erkennen; ſie ſtammt aus Kitzingen a. M. Ihr
Geburtsjahr iſt 1443. In den gewaltigen Kämpfen jener Zeit ſpielte dieſe
Fahne eine hervorragende Rolle. — Mancher hat ſie auf dem Schlacht-
feld ſterbend gegrüßt. ö ö
Ein neuer Zug iſt tielegraphirt, wieder donnern die Kanonen.
Es ſind die Schützen aus Braunſchweig, Berlin, Halle ꝛc., eine Schaar
00 400 Mann. Die Braunſchweiger haben ihr eigenes Muſikcorps mit-
gebracht. 2 ö ö
Gleich darauf trifft ein anderer Zug ein. Die meiſten ſind Hanno-
veraner, aber auch Viele kommen vom Geſtade der Donau, aus der Kaiſer-
ſtadt Wien u. ſ. w. ö
Kaum ſind dieſe Schaaren in die Stadt gezogen, da hält ſchon wieder
ein neuer Zug und zwar ein recht langer. Er iſt mit ſchwarz⸗-roth⸗golde-
nen Fähnlein geſchmückt. Es ſind die Nordländer, die Schleswigholſteiner,
die Lüneburger und Lübecker. Der Zug, zu welchem Hamburg eirca 1800
Mann geſtellt hat, mag gegen 3000 Perſonen betragen.
Der Zug bewegt ſich unter Hurrahrufen fort; neue Gäſte langen an.
Ein Extrazug hält. Drinnen ſind Schützen von Verden bis zum Harz.
Hört Ihr? Unter der Vaterlandshymne braust der Zug in die Halle.
Eine prächtige Schaar!
Kanonendonner erſchallt von Neuem; Rheinpfälzer kommen und eine
Abtheilung Weſtphalen. Dr. Schumacher begrüßt ſie und Golzen aus
Zweibrücken erwiedert dankend dieſen Gruß. ö
Die von den Pfälzern mitgebrachte Muſik an der Spitze, zog der Zug
zur Stadt. ö ö ö
Um halb 6 Uhr rückten die Oldenburger am Hohenthore ein.
Die vergangene Nacht war eigentlich keine Nacht, denn geſchlafen wurde
zu wenig, um die Zeit der Ruhe eine Nacht zu nennen. Ebenſo ſchön
wie der Empfangstag war der Empfangsabend und die Nacht, ja ſogar
ſchöner, da es kühl geworden. Und ein ſolcher Abend mußte benutzt wer-
den, das fühlten die Schützengäſte wie die Gaſtfreunde; er wurde aber auch
benutzt, denn das Gewoge in den Straßen überſtieg alle Begriffe, die Equi-
pagen hatten alle Mühe durchzukommen. Alle Droſchken waren mit Be-
ſchlag belegt. Aber man wußte ſich zu helfen. Ließen ſich doch gar vier
Tyroler von einem Dienſtmann auf ſeinem zweirädrigen Handwagen nach
der Börſe kutſchiren, wo ſie mit ungeheurer Heiterkeit empfangen wurden.
Welch ein Getümmel an der Börſe! Uns dünkte es, da wir von der Gal-
 
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