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Heidelberger Familienblätter — 1865

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No. 130 - No. 142 (1. November - 29. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43186#0529

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Heidelberger Familienblätter.

M. 132. ö Sonntag, den 5. November 1865.

Aus dem blanen Cabinet der Kaiſerin.

Hiſtoriſche Novelle von Charlotte Baronin von Graveureuth,
ö geborene Gräfin Hirſchberg.

(Fortſetzung.) *
„So lange ich athme — rief aufſpringend die aufs Höchſte gereizte,
in ihrer dichteriſchen Eitelkeit verletzte Frau — ſo lange ich lebe und Kraft
zu widerſtreben habe, werde ich mich ſo ungerechter Forderung widerſetzen.
Du haſt mich verhöhnt, glaubſt mich gedemüthiget, aber ich fühle den
Beruf, den keine Sofiſtereien mir wegdisputiren werden. Niemand tadelt
8 5 Poeſien, als du — Niemand zweifelt an meiner Begabung,
als du — “ ö ö ö
„Und deine Mutter — ſetzte der Hofrath ernſt bei — die vortreffliche
gebildete Frau ſtimmt mir in Allem bei — und deine Freunde zucken mit-
leidig die Achſeln, wenn Andere von deiner Schreibluſt ſprechen.“
„Meine Mutter iſt dein Echo“, erwiderte Mathilde, „ſie verletzt ihr
eigenes Kind, um mit dir einzuſtimmen. Aber genug — ich verliere meine
Zeit, und wir ereifern uns nutzlos.“
„So willigſt du nicht ein, Mathilde, meine Bitte, meinen Wunſch zu
erfüllen?“ ſprach mit tiefem Nachdruck der Hofrath. ö
„Es iſt mir unmöglich!“
„Auch nicht, wenn ich dich inſtändig, und bei dem Andenken an deine
Kinder, an unſer einſt ſo ungetrübtes Glück bitte?“ ö ö
„Es thut mir leid, dich betrüben zu müſſen — aber ich kann nicht!“
„Nun denn, ſo wirſt du dich bequemen, dem Befehle zu gehorchen,
zu welchem mich dein Starrſinn treibt!“
„Dem Befehle!“ rief in höchſter Aufregung zitternd die Frau, „es
kann dein Ernſt nicht ſein, alſo mit mir ſprechen zu wollen!“ „
„Es iſt mein feſter, unwandelbarer Entſchluß, Mathilde! was du mei-
ner Bitte verſagteſt, wirſt du meinem Befehle gewähren müſſen. Ich un-
terſage dir allen Ernſtes, und bei Verluſt meiner Achtung und Neigung,
dich nutzloſen, einer Gattin und Mutter unpaſſenden Beſtrebungen hinzu-
geben, und zwar aus dem triftigen Grunde, weil du keine Begabung zu
dichteriſchem Schaffen haſt — und ich befehle dir, dieſe angefangene Arbeit
unvollendet zu laſſen und dich in deiner Wirthſchaft wieder umzuſehen: du
wirſt der Beſchäftigung genug, und nicht Grund finden, zu bereuen, dich
ernſteren Pflichten wieder zugewendet zu haben!“ Bei dieſen Worten er-
griff der Hofrath das Heft, in welchem die junge Frau, als er ſie ſtörte,
geſchrieben hatte und wendete ſich, um das Zimmer zu verlaſſen.
Aber — wie eine Löwin, der man ein Junges raubt, ſtürzte die
junge Frau glühenden Auges, zitternd und in hoͤchſter Aufregung auf ihren
Gatten zu, faßte nach der Hand, die ihr Kleinod, ihr geiſtiges Kind, ihre
Sümme Arbeit davon zu tragen wagte, und rief mit vor Zorn erſtickter
timme: ö ö ö
 
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