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Heidelberger Familienblätter — 1865

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No. 26 - No. 39 (1. März - 31. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43186#0124

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ſitzt niedergeſchlagen auf ſeinem Platze, die ihm geſtellten Fragen kurz und
ſtill beantwortend, und geſteht Alles. Er iſt ſo verändert, daß ihn Mann-
heimer, der lange Jahre hindurch mit ihm Geſchäfte machte, nicht erkennt.
Die übrigen drei Genannten ſind der Urtypus abgefeimter Gauner, und
erregen durch ihr eyniſches Benehmen, mit dem ſie theils leugnen, theils
ſich ihrer Geſchicklichkeit rühmen, Abſcheu und Entſetzen. Mit Ausnahme
zweier, haben ſämmtliche Angeklagte bereits die Bekanntſchaft der Gerichte
gemacht.
Es würde uns zu weit führen, dem Laufe der Verhandlungen zu folgen,
bei welchen nahezu 100 Zeugen vernommen wurden; wir begnügen uns
blos zu conſtatiren, daß die Mehrzahl der Angeklagten der begangenen Ver-
brechen geſtändig und überwieſen wird, um das Urtheil zu verkünden,
welches gegen Caſtellani und Maſon auf 2, gegen Orſario und Boffin auf
je 10, Scarabalin 8, und die Uebrigen auf 6, 5, 2 ꝛc. Jahre ſchweren
Kerkers lautete.

Vermiſchtes.

(Geſellſchaftliche Etikette in Finnland.) Der Finne iſt einfach und in
hohem Grade gaſtfrei; um ſo auffallender erſcheint die Viſitenetikette. die er mit einer
wahrhaft erſtaunlichen Peinlichkeit beobachtet. An der Thüre jedes Stadtbewohners hängt,
wenn dieſer nicht zu Haͤuſe iſt oder keinen Beſuch empfangen will, ein Blechkaſten mit
einer Oeffnung an der Aufſchrift: „Lade für Viſitenkarten.“ Wer nun mit irgend einer
Familie Bekanntſchaft anknüpfen will, legt eine Viſitenkarte in den Blechkaſten, und die
Bekanntſchaft iſt gemacht; will er ſich aber den Umgang mit der Familie erhalten, ſo
muß er wenigſtens monatlich einmal ſeine Karte abgeben. Der ſchwierigſte Tag aber im
ganzen Jahre iſt der Neujahrstag. Wer an dieſem Tag nicht zwei Karten (die eine wird
des Morgens hineingelegt und gilt dem Hausherrn, die andere des Abends und gilt den
Damen des Hauſes) in die Lade legt, der wird für immer aus der Zahl der Bekannten
geſtrichen und jeder Umgang iſt abgebrochen. — Nicht minder beſchwerlich ſind die Cere-
monien, denen ſich die Neuvermählten ausſetzen. Unmittelbar nach der Trauung iſt bei
denſelben Ball oder wenigſtens ſonſt eine Feſtlichkeit. Kaum aber ſind die Gäſte verſam-
melt, ſo dringt das Volk in Haufen vor das Haus, und die jungen Eheleute müſſen auf
den erſten Ruf heraustreten und ſich der Menge zeigen. Iſt Braut und Bräutigam, und
namentlich deren Anzug zur Genüge bewundert und angeſtaunt, ſo gratuliren die Gela-
denen und entfernen ſich, um Anderen Platz zu machen. Oft dauert dieſes Schauſtellen
der Eheleute zwei Stunden und länger. — Am allerläſtigſten aber wird in Geſellſchaften
und bei Mahlzeiten die Sitte des Zutrinkens, welcher ſelbſt die Damen nicht entgehen.
Das Lieblingsgetränk der Finnen iſt kalter Punſch, der in kleinen Gläſern herumgereicht
wird; die Damen trinken ein aus Rothwein und verſchiedenen Gewürzen bereitetes Ge-
tränk, welches den Namen „Karoline“ hat. Wer Jemandes Geſundheit trinken will,
meldet das dem Betreffenden und hat genau darauf Acht, daß der Betheiligte nicht einen
Tropfen weniger, als er ſelbſt, trinkt. Iſt dagegen die Geſellſchaft groß, ſo werden fort-
während Diener von einem Ende der Tafel zum andern geſchickt, daß dieſer oder jener
die Geſundheit des Herrn ... oder Dame ... trinke. Derjenige, der auf dieſe Weiſe
benachrichtigt iſt, ſteht ſogleich auf und leert ſein Glas mit einer Dankbezeugung gegen
den Abſender. Daß dieſes Geſundheittrinken die Gäſte nicht ſelten ſchon ſehr früh illu-
minirt, iſt natürlich; der Wirth allein iſt dagegen geſichert, denn wer die Geſundheit des
Wirthes trinkt, muß ſechs Gläſer zur Strafe leeren, da des Wirthes Geſundheit erſt ganz
zuletzt und zwar von dem älteſten Gaſte ausgebracht wird.

Redaktion, Druck und Verlag von Adolph Emmerling.
 
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