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Heidelberger Familienblätter — 1867

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No. 1 - No. 12 (4. Januar - 30. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43664#0044

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— 36 — —1

nicht, an ſie zu ſchreiben; ſie würde meinen Brief nicht empfangen⸗ — ich
weiß nicht einmal, ob dieſer Brief in Ihre Hände gelangen wird. Em-
pfangen Sie für Beide hier meinen Segen. Ich hoffe, daß ſie eines Tages,
wenn ſie größer ſind, ſich werden mit Ihnen vereinigen und ſich ganz Ihrer
zärtlichen Sorgfalt erfreuen können. Mögen ſie Beide an das denken, was
ihnen einzuflöſen ich nicht aufgehört habe: daß die Grundſätze und die ge-
naue Ausführung ſeiner Pflichten die erſten Grundlagen des Lebens ſind,
— daß ihre Freundſchaft und ihr gegenſeitiges Vertrauen das Glück ihres
Lebens ausmachen wird.
„Möge meine Tochter fühlen, daß ſie in ihrem Alter ihrem Bruder
immer durch Rathſchläge helfen muß, welche ihre groͤßere Erfahrung und
ihre Freundſchaft ihr eingeben können.
„Möge mein Sohn ſeinerſeits ſeiner Schweſter alle Sorgen, alle
Dienſle, welche die Freundſchaft ihm einflößen kann, erweiſen. Mögen ſie
endlich Beide fühlen, daß ſie, in welcher Stellung ſie ſich auch befinden
moͤgen, nur durch ihre Einigkeit wahrhaft glücklich ſein können!—
Mögen ſie an uns ein Beiſpiel nehmen! Wie viel Tröſtung hat unſere
Freundſchaft uns in unſerem Unglück verſchafft! Und das Glück genießt

man doppelt, wenn man es mit einem Freunde theilen kann, — und wo
könnte man zaͤrtlichere und treuere Freunde finden als in ſeiner eigenen
Familie?

„Möge mein Sohn nie die letzten Worte ſeines Vaters vergeſſen, die
ich ihm ausdrücklich wiederhole: ö
„Er ſoll nie ſuchen meinen Tod zu rächen! ö
„Ich habe mit Ihnen noch von einer Sache zu reden, die meinem
Herzen ſehr peinlich iſt. Ich weiß, wie viel Kummer dieſes Kind Ihnen
verurſacht haben muß. Vergeben Sie ihm, meine theure Schweſter; be-
denken Sie ſein Alter und wie leicht es iſt, ein Kind Das ſagen zu laſſen,
was man will, und ſogar Das, was es gar nicht begreift. Ich hoffe, es
wird ein Tag kommen, wo er den ganzen Werth Ihrer Güte und Ihrer
Zärtlichkeit für Beide nur um ſo feſter fühlen wird. Es bleibt mir noch
übrig, Ihnen meine letzten Gedanken anzuvertrauen. Ich hätte ſie Ihnen
lieber gleich im Anfange meines Prozeſſes geſchrieben, aber außerdem, daß
man mir nicht zu ſchreiben erlaubte, war auch der Gang deſſelben ſo raſch,
daß ich wirklich nicht die Zeit dazu gehabt haben würde.
„Ich ſterbe in der katholiſchen, apoſtoliſchen- und römiſchen Religion,
in der Religion meiner Väter, in der, worin ich erzogen worden bin und
die ich immer bekannt habe, während ich keinen geiſtlichen Troſt zu er-
warten habe und nicht weiß, ob es hier noch Prieſter, dieſer Religion gibt,
ja der Ort, wo ich bin, ſie zu ſehr blosſtellen wird, wenn ſie einmal in
denſelben eintreten. Ich bitte Gott aufrichtig um Vergebung aller Fehler,
welche ich, ſeitdem ich exiſtire, begangen haben mag. Ich hoffe, daß Gott
in ſeiner Güte meine letzten Wünſche, ſowie die, welche ich ſeit langer Zeit
hege, daß er in ſeiner⸗ Barmherzigkeit und Güte meine Seele wohl auf-
nehmen möge, gut empfangen wird. Ich bitte Alle, die ich kenne und
ganz befonders Sie, meine Schweſter, fuͤr allen Kummer, den ich ohne es
zu wollen, Ihnen verurſacht haben mag, um Verzeihung. ö
ö (Schluß folgt.)

Redaktion, Druck und Verlag von Adolph Emmerlin g.
 
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