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Heidelberger Familienblätter — 1867

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No. 64 - No. 76 (2. Juni - 30. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43664#0269

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66. rtg, den 7. Junn. 1867.

Der Trinmph der Liebe.
Ein Sittengemälde aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts. — ö
ö Von Wilhelm Andreä.

ö Cortſetzung.) ᷣ*
ö Jetzt kehrte dem Prunkhans mit einem Male der Muth und auch ſeine
natürliche Geſichtsfarbe wieder zurück, während ſich dafür das Geſicht des
armen Geſellen vollſtändig entfärbte.
„Der iſt's?“ rief Heinz Geier, indem er näher trat, „der mich neu-
lich zuvor verhöhnt hat, als ich hier aus dem Hauſe ging? Du Galgen-
vogel! daß Dich die Peſt küſſe! Warte nur, Du haſt zum letzten Male
gelacht. Aber ich, ich werde lachen, aus vollem Halſe werde ich lachen,
wenn ſie Dich hinausführen und Dir den hänfenen Kragen anlegen!
„So ein Vogel biſt Du?“ hob der Rathsherr wieder an, „wahrlich,
hätt's nicht von Dir gedacht. Kann mir's aber vorſtellen, daß, während
Du mein Haus mit Schnitzwerk verzieret, Du ſonder Zweifel mehr als
einmal Gelegenheit gehabt haſt, einen Blick in dies Stübchen zu werfen,
und daß Dich dann die blinkenden Schüſſeln und Becher zur Sünde ver-
lockt haben. Es wird ein übel Ende nehmen mit Dir!, ja, ja, hier mein
junger Freund hat ganz recht, man wird Dich um etliche Spann höher
machen und ich bin genöthigt, Deine begonnene Arbeit durch einen andern
Meiſter vollenden zu laſſen. Es thut mir leid, daß Du ſo jung ſterben
mußt und von dem Meiſter Knüpfauf eingenäht“) werden wirſt, es thut
mir Deinethalben und Deiner Sippe wegen leid, unter der ſich viel acht-
bare Leute befinden, denen Du nun unſäglichen Kummer und Herzeleid
bereiten wirſt.“
Nach dieſen Worten wandte ſich der Rathsherr an ſeinen Begleiter
und flüſterte ihm in's Ohr: „Ich hätte wahrlich nicht übel Luſt, ihn noch
einmal laufen zu laſſen — 's iſt ſeiner Sippe wegen, unter der ich auch
etliche Befreundete habe — meine Sachen ſind ja noch alle beiſammen, wie
ich ſehe — es wird ihm eine gute Lehre ſein Zeit ſeines Lebens...
Heinz Geier ſchüttelte heftig mit dem Kopfe, dann erwiderte er:
ö „Was wolltet Ihr! Ihr werdet doch nicht unweiſe ſein?! Wer '»ſich
auf Unkoſten anderer Leute mit Weizen füttern will, der muß ſich zur
Strafe mit den Krähen durch ein Pfund Hanf beißen. Und der da hat's
doppelt verdient, weil er Euch, den Rathsherrn, ſeinen Gutthäter, zu be-
ſtehlen verſucht hat!“ — ů
„Ja, Ihr habt Recht, lieber Schwäher, und überdies iſt es als eine
Gottesfügung anzuſehen, daß er ſo unvorſichtig und unſäuberlich zu Werke
gegangen iſt, ſo daß er ſich durch ſein Poltern und Lärmen ſelbſt hat ver-
rathen müſſen.“ ö ——
„„So iſt es!“ bekräftigte der Prunkhans, „denn etwas anderes haſt
Du hier doch nicht zu ſuchen gehabt, Du Malefizbube, he ꝛl *

„) Anſpielung auf die damals noch vielſach vorkommende Sitte, die Leichen einzunähen.
 
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