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Heidelberger Familienblätter — 1867

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No. 39 - No. 50 (3. April - 28. April)
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Bridelberger Familienblätter.

M 49. Breitag, den 26. Aprilili 1867

Der Sandatkerherr.
Von Alfred dartmann-
Gortehung)
„Lavo manus meas,“ ſprach nun der Rattenfänger. „Von der ſpani-
ſchen Grenze kam unſer Regiment nach Breſt, von Breſt nach Dijon, wo
der gute Burgunder wächſt, und von da nach Montpellier, wo der. ſuͤße
Muskateller daheim iſt. Hatte da weder Zeit noch Gelegenheit, mich ſtark
um meine frühern commilitones zu bekümmern. Als dann Anno dreißig
der alte Scharlediß den Finkenſtrich nach England hinüber nahm und wir
andern Rothröckler den Abſchied bekamen und heimgeſchickt wurden, da lag
der Sandackerbauer ſchon längſt neben der Sandackerbäuerin auf dem Kirch-
hof draußen unter dem grünen Raſen. Der Sandacker war in andere
Hände gekommen und mein Freund Joſeph verſchollen. Einige behaupteten,
er ſei unter die Jeſuiten gegangen, welche ihn über Meer geſchickt hätten,
die wilden Heiden zu bekehren; Andere wollten gehört haben, man habe ihn
mit einer welſchen Komödiantenbande herumziehen ſehen.
„Um wieder von meiner Wenigkeit zu reden,“ fuhr der Mauſer fort,
„ſo hatte ich an meinen Erſparniſſen keineswegs ſchwer zu tragen, als ich
aus Frankreich nach Hauſe kam. Gab mir deßhalb nicht die Mühe, ſie in
Gültbriefen anzulegen, ſondern ſetzte ſie ſo ſchnell wie möglich in edlen
Falerner um, nämlich in ſolchen, der zwiſchen Twann und Griſſach wächst.
Als ich mit dieſem Geſchäfte eben fertig geworden war, ſtarb glücklicher-
weiſe der Gemeindemauſer, und ich wurde in Anbetracht meiner militäri-
ſchen Carriere, oder aber vielleicht auch weil mich die Gemeinde ohnedies
hätte futtern müſſen, an die Stelle des ſelig Verſtorbenen — er war im
Schnapsrauſch vom Steg hinunter in den Bach gefallen — erhoben.
„Es war nicht lange her,/ ſeit ich meine neue Würde bekleidete, ſo
kam einmal der Bote mit einem faſt daumensdicken Briefe. Der Brief war
von Joſeph, das erkannte ich an der Schrift, er kam von Paris und ſollte

nicht minder als zwanzig Batzen Poſtlohn koſten. Ihr werdet einſehen,

domine, daß die Amtsbeſoldung eines Gemeindemauferg⸗ von Gottmarchingen
demſelben nicht geſtattet, ſolche Portoauslagen inzſein Budget aufzunehmen.
Ließ alſo den Brief, ſo ſehr mich auch die Neugierde ſtach, beim Poſthalter
liegen. Darüber mochten ein paar Jährchen verſtreichen, da ſah man eines
kühlen Abends⸗eine lange ſchwarze Geſtalt die Dorfgaſſe entlang wandeln.
Das war des Sandackerbauern Joſeph, dek zum Ammann ging, ſeinem
väterlichen Erbe nachzufragen. Es war freilich nicht mehr viel und der
größte Theil davon unter dem Sonnenſcheine der gemeinderäthlichen Für-
ſorge dahingeſchmolzen, wie ein Schneehaufen im März. Dennach fand ſich
noch genug, daß der Sandackerherr, wie man ihn nun nannte, weil er
noch immer ſchwarze Beinkleider und einen langen dunkeln Rock und über-
dies den mehrfach erwähnten Seidenhut trug, ſich am äußerſten Ende der
Gemeindeallmend eine Hütte konnte zimmern laſſen. Ich hatte mir ge-
ſchmeichelt, er werde etwa bei mir einkehren und mir ſeine Geſchichte er-
 
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