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Heidelberger Familienblätter — 1867

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No. 90 - No. 102 (2. August - 30. August)
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Heidelberger Tamilienblätter.

M 100. onntag, den 25. Aubut — ser.

Carriere.
Von J. D. H. Temme.

Cortſetzung. 2 — ö —
Der Inquirent fuhr ruhig fort: „Unmittelbar darauf trafen Sie mit
Ihrem Bruder zuſammen. Es war Ihnen ein Schimpf angethan, ein Sie
bis in das Innerſte treffender Schimpf. Was war natürlicher, als daß
unter ſeinem Eindrucke Ihre Unterredung mit Ihrem Bruder zu Plänen
des Haſſes und der Rache gegen den frechen Beleidiger wurde? Drei Stun-
den ſpäter war der Graf ermordet.“
Die Angeklagte war auf ihrem Stuhle erſchöpft zurücgeſunken. Sie
war für den Augenblick keines Wortes mächtig.
„Sie antworten mir nicht?“ fragte der Rath ſie. „Sie können auf
ſolche ſchwere Beſchuldigungen nichts eauf dieht Herr Protokollführer, ſchrei-
ben Sie: Die Angeſchuldigte erblaßte auf dieſe Beſchuldigungen von Neuem,
ſtär r als das vorige Mal. Sie konnte, trotz der Aufforderung, ſich zu
vertheidigen, nichts darauf erwidern, und ſchien ſo allerdings den Eindruck
zu machen, da die Schwere der Vorhaltungen ſie niederdrückte.“
Aber die Angeklagte hatte ſich erholt. „Mein Herr,“ ſagte ſie mit der
ruhigen Würde der Unſchuld, die ſie wieder gewonnen hatte, „jedes Wort,
das Sie mir haben vorhalten müſſen, war eine Unwahrheit, und wenn,
woran ich nach Allem nicht zweifeln kann, die Fürſtin jene Umſtände dem

Gericht angegeben hat, ſo iſt ein Gericht noch nie frecher und unverſchämter

beloͤgen worden, als von dieſer Frau. Ich bitte Sie, auch das zum Pro-
tokoll niederſchreiben zu laſſen..
„Die Gräfin wird die Angaben der Fürſtin beſtätigen, bemerkte der
Inquirent.
„So wird die Gräfin das Gericht nicht minder frech und unverſchämt
belügen, wie die Fürſtin.“
„Beide Damen werden ihre Ausſagen als Zeuginnen beſchwören. 0
Da mußte die Angeſchuldigte noch einmal auffahren. „Ha! Sie ſollen
als Zeuginnen gelten? Sie, ſie? Und nicht ich? Sie gegen michr-
Jene Damen ſind unverdächtig,“ ſagte der Inquirent.
„Allmächtiger Gott im Himmel!“
„Oder wären Sie im Stande, ihr Zeugniß aus irgend eiem Srunde
verdächtig zu machen ?“ꝰ“
Ottilie Kramer ſprang von ihrem Stuhle auf. Trotz ihrer Schwäche
litt es ſie nicht mehr auf ihm. Eine ungeheure innere Unruhe hatte ſie
ergriffen. Sie kämpfte mit ſich um einen ſchweren, entſcheidenden Entſchluß.
Sie konnte ihn nicht faſſen. ö
Sie hattte nur Weniges zu ſagen, und nur die Wahrheit. Sie hatte
nur das zu wiederholen, was ſie auf Schloß Urnäſch ihrem Bräutigam
mitgetheilt hatte, und nur hinzuzuſetzen, daß ſie das damals ſchon ihrem
 
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