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Heidelberger Familienblätter — 1867

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No. 90 - No. 102 (2. August - 30. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43664#0369

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Heidelberger Pamilienblätter.

W9I.. Sonntag, den 4. Anhſu. 1867.

Carriere.
Von J. D. H. Temme.

Cortſetzung.)
„Wo iſt die Fürſtin2“ fragte ich.
„In dem Zimmer der Gräfin.“ ‚
„Sie ſtattet der Mitverſchworenen Bericht ab! Ich nußte hin z zu den
beiden Frauen. Ich ließ mich bei der Gräfin anmelden. Ich wurde nicht
angenommen. Sie ſei unwohler geworden, als am Nachmittage, ſie liege
zu Bette. Aber nach einer Stunde ſchickte ſie zu mir.“
„Das ganze Schloß war ſchon in Sorge und Aufregung über das
Ausbleiben des Grafen. Die beiden Frauen mußten die meiſte Angſt zei-
gen, wenn ſie nicht auffallen wollten; es wäre noch auffallender geweſen,
wenn ſie da ſich ferner vor mir hätten zurückziehen wollen. Dennoch war,
daß ſie mich rufen ließen, für mich ein Anzeichen threr Schuld. Ich ſollte
über dieſe bald völlig klar werden.“
Ach fand die Gräfin und die Fürſtin allein. Die Gräfin ſaß blaß,
angegriffen, leidend in einem Lehnſtuhl. Sie war ja ſchon ſeit einiger Zeit
unwohl, ſie ſah auch aufgeregt genug aus. Die Fürſtin ging im Zimmer
umher. Sie blickte bald durch das eine, bald durch das andere Fenſter.
Ihr immer ſtark geröthetes Geſicht trug Spuren der Spannung, die auch
freilich Spuren der Abſpannung ſein konnten.“
„Das Alles war ganz natürlich und paßte auch vollkommen zu der
ängſtlichen Erwartung des ſo räthſelhaft Ausbleibenden. Dennoch trat es
mir ſchon in der erſten Minute unverkennbar als baare Heuchelei ent-
gegen. 5
„Haben Sie denn gar keine Ahnung, wo mein Mann ſein kann? ſagte
die Gräfin zu mir, indem ſie ihren leidenden Blick auf mich richtete.“
„Man kann ſich allerlei Gedanken machen, Erlauche, erwiderte 4 etwas
gemeſſen.“
„„O, gewiß iſt ihm ein Unglück vegehnet.
„Ich fürchte das ebenfalls.“
„Aber welcher Art könnte es ſein?“
„Ich konnte nicht länger an mich halten. Ich mußte Geuißheit haben,
mochte für mich daraus erfolgen, was wollte. Ich mußte wiſſen, ob ſie
Mörderinnen waren. Ich konnte mit den Mörderinnen nicht ferner zuſam-
men leben. Ich mußte dann noch mehr. — Haben Sie, ſagte ich zu ihr,
ſchon Ihre durchlauchtigſte Frau Mutter gefragt? Ich ſprach langſam, mit
erhobener Stimme. Ich ſah ſie feſt an.“
„Es zuckte plöͤtzlich, aber heftig in ihr. Sie ſah mich mit einem Blicke
an, der Feſtigkeit zu erringen ſuchte. Die Fürſtin? ſagte ſie mit derſelden
Ungewißheit der Stimme.“
„Die Fürſtin war gewandter, konnte ſich mehr beherrſchen. Sie iſt
ſchlechter. Sie hatte meine Worie zehbrl. Sie trat raſch vor. Sie ſah
mich vornehm an.“
 
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