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Heidelberger Familienblätter — 1874

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No. 26 - No. 34 (1. April - 29. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43704#0144

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das Atelier Kaulbach's und hingeriſſen von der Groß⸗ ö
artigkeit und Schönheit des begonnenen Werkes, mochte

er ſogleich an die Möglichkeit des Beſitzes denken; aber
er frug den Künſtler nicht, ob es zu haben ſei? Bekannt
aber mit meinem Freundesverhältniß zu ihm, beauftragte
er mich durch ſeinen Geſandten, den Grafen von Dönhoff,
ihn als Käufer zu melden und die Kaufbedingungen zu
erfragen. Man wird ſich leicht die Freude vorſtellen
können, mit der ich zu Kaulbach mehr flog, als ging,
wie auch die, mit welcher meine Botſchaft aufgenommen
wurde. Die Beſtimmung der Ankaufsſumme überließ
Kaurbach mir; der König ging ohne Weigerung darauf
ein. Allein die verſprochene Meldung an König Ludwig
war noch nicht geſchehen, und — König Ludwig machte
ſein Recht der Vorhand geltend, und trat für den König
von Preußen ein. Das Bild iſt in München geblieben
und die Veranlaſſung geworden zum Bau der neuen Vi-
nakothek. So unerwartet und ungewüuſcht der Ausgang
dieſer Verhandlung war, ſo wurde er doch die Veranlaſ-
ſung zu der größten und ruhmreichſten künſtleriſchen Thä-
tigkeit Kaulbachs.
da er das Original nicht haben konnte, mit einer Copie
begnügen, wofür er denſelben Preis bot. Das ſchlug
Kaulbach aus, erbot ſich aber, dem König ein anderes
von gleicher oder ähnlicher hiſtoriſcher Bedeutung zu ma-
len und erhielt die Antwort: „nicht eines wünſche der
König, ſondern ſechs.“ Und hiermit ſtehen wir vor dem
Werke, das, am entſchiedenſten im Geiſt der Zeit gedacht,
zugleich ein Denkmal des Genius und der Geſinnung des
Kuͤnſtlers iſt.

Vermiſchtes.

Karlsryhe, 25. April. Als erſte Opernnovität
dieſer Saiſon brachte die hieſige Hofbühne geſtern endlich
die längſt angekündigte und oftmals hinausgeſchobene
Oper Kroenlein's: „Magelone“ zur erſten Aufführung,
welche ſich, einem Bericht der „Krlrh. Ztg.“ zufolge eines
günſtigen äußeren Erfolges zu erfreuen hatte. Die Oper
ſoll „im Ganzen anſprechend, an muſikaliſchen Schönheiten
reich und von guter Wirkung“ ſein, doch meint der nu-
befangene „Schwäb. Merkur“: „Die Hoffnung des Schöp-
fers, daß das Werk eine Verſöhnung zwiſchen den beiden
wettſtreitenden Syſtemen der dramatiſchen Tonkunſt wer-
den ſollie, iſt freilich von der Erfüllung weit entfernt
geblieben.“
ſondern auch Verfaſſer des Textes dieſer Oper. Der
Mißerfolg eines früheren Verſuches (1868), dieſelbe zur
Aufführung zu bringen, und die bei dieſem Anlaß ver-
nommenen Bemerkungen bewogen ihn zu einer gründlichen
Umarbeitung ſeines Werkes, das erſt in ſeiner veränder-
ten Geſtalt von dem gegenwärtigen Leiter der Hofbühne
zur Aufführung angenommen wurde. ö

Einige Kraftſprüchlein Friedrichs Il. werden

König Friedrich Wilhelm wollte ſich,

Kroenlein iſt übrigens nicht nur Componiſt,

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von der Weſtphäliſchen Zeitung nicht ganz unzeitgemäß

aufgewärmt. Der König ſchrieb einmal an das Dom-
capitel zu Cleve: „Ich habe euern durch die letzte Pro-
zeſſion verurſachten Unfug vernommen und rathe euch,

wenn ihr euere poſſenvolle Promenade ferner begehen

wollt, niemand von einer andern Religion zu beleidigen
und zu mißhandeln, widrigenfalls ich genöthigt bin, die
Thorheit aufzuheben; es ſollen die Schuldigen hart be-
ſtraft werden.“ Prophetiſch klingen folgende Worte des
Königs, an Voltaire gerichtet: „Der Papſt und die
Mönche werden ohne Zweifel einmal ein Ende nehmen;

aber die Vernunft wird nicht ihren Fall bewirken, ſie
werden vielmehr in dem Verhältniſſe zu Grunde gehen,
wie die Finanzen der großen Fürſten in Unordnung
kommen. Man wird dem Papſte eine große Penſion
ausſetzen; die katholiſchen Mächte werden keinen Statt-
halter Chriſti mehr anerkennen wollen. Jede wird einen
Patriarchen in ihrem Lande ernennen; man wird Natio-
nalconcilien zuſammenberufen, und nach und nach wird

ſich jeder von der Einen Kirche trennen.“

(Aus dem Berliner Leben.) „Die Regierungs-
räthin iſt todt!“ — ſo meldet der „Figaro.“ Vielleicht
hat man auf den Straßen ein altes zerlumptes Weib
geſehen, ſchmutzig und häßlich, das mit der Kiepe auf
dem Rücken, mit der Hacke in der Hand, im Unrath
wühlend, ſich ihr kärchliches Brod erwarb. Gegen Abend
wankte ſie in der Regel durch die Straßen, denn ſie war
um dieſe Zeit ſtets betrunken. Die Schuljugend begleitete
ſie gewöhnlich mit dem banalen Ausrufe: „Die Frau
Regierungsräthin iſt be— —!“ — Die Frau hatte einſt
beſſere Tage geſehen, ſie war eine feingebildete Perſon
und die Gattin eines Regierungsrathes. Ein Fehltritt
von ihrer Seite trennte die Ehe. Bald nachher ſank ſie
von Stufe zu Stufe, war Anfangs eine gefeierte Schön-
heit der demi-monde, dann wurde ſie eine Beſucherin
des Coloſſeums und der Villa Bella vor dem Oranien-
burger Thor, bis ſie endlich bis zum „Türken⸗Keller“ an
der neuen Promenade herabſank. Die Leidenſchaft und
die Trunkſucht führten ſie ihrem letzten Gewerbe in die
Arme. Sie ſtarb hochbetagt auf einem Bündel Lumpen,
die ihr ein mitleidiger Produktenhändler, für den ſie
Knochen ſuchte, in einem Stalle gewährt hatte.

(Die Antwort von zwölf Jungfrauen.) In
Großwardein hatten zwölf junge Männer feierlich gelobt,
des großen Luxus halber inſolange unverheirathet zu blei-
ben, als nicht die Damen Umkehr machen. Der „Bihar“
theilt nun folgende Antwort von zwölf Landmädchen an
die Beſchwörer mit: Werthe Herren! Sie ſind die Ur-
ſache, daß alle Mädchen „gnädige Frauen“ werden wol-
len, denn wenn wir in einfachee Toilette auf die Bälle
kommen, würdigen Sie uns keines Blickes, ſondern tum-
meln ſich um die Schleppen: wenn wir zu Hauſe iun der
Küche fleißig ſind, fragen Sie, mit dem Hute auf dem

Kopfe auf uns herabſehend: Iſt das Fräulein zu Hauſe?

während wenn wir auf dem Canape Romane leſen, Sie
uns die Hände küſſen; wenn wir vier Gänge ungariſcher
Gerichte vorſetzen, behagen ſie Ihnen nicht, wogegen Sie
die glänzend ſervirten ſechzehngängigen Diners, bei denen
auf die Suppe verſchiedene Aſſietten folgen, über Alles
loben. Geehrte Herren! Entfagen Sie den theuren Ci-
garren, dem Thee, dem Kaffée, den Viſitenkarten, den

Photographien, den Fiakerfahrten und anderen, großen

Herren zukommenden Gewohnheiten; arbeiten Sie, kleiden

Sie ſich einfach, es gibt auf dem Lande ſehr viele fleißige,
ſparſame, echt ungariſche Mädchen, heirathen Sie diefe ö
und ſeien Sie nützliche Mitglieder der menſchlichen Ge-
ſellſchaft.

„Ich habe gehört.“ wurde Jemand kürzlich gefragt,
„daß Sie kürzlich Doctor geworden ſind. Sie haben wohl
in absentia promobirt? — „Nein,“ lautete die Antwort,
„in Philadelphia.“

Redaction, Druck und Verlag von Adolph Emmerling in Heidelberg.
 
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