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Heidelberger Familienblätter — 1874

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No. 52 - No. 60 (1. Juli - 29. Juli)
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Alle Intriguen Ehrgeiziger ſind an dem Irrthum ge-
ſcheitert, daß nicht ein ſchwankendes Rohr,
Eiche ihnen entgegenſtand.“

„Sie bekennen alſo, daß ſolche Ehrgeizige au dieſem

Hofe exiſtiren?“ fragte die Herzogen raſch.
„Es entſpräche wenig meiner Liebe und Ergeben-
Dnn für meine edle Herzogin, wollte ich die Wahrheit
eugnen.“
„Ja, ja; ich weiß,“ murmelte Sophie Clotilde, mehr
zu ſich ſelbſt gewendet. „Aber Graf Bentheim? Wel-
chen Vortheil könnte er, Graf Bentheim, aus der Verbin-
dung des Fürſten Georg mit Ulrike ziehen?“ ö
„Höchſtens ein Hofmarſchallspatent,“ warf Fräulein
von Rhon leicht hin. ö
Die Herzogin wandte ſich raſch um. „Mathilde,“
ſagte ſie ſtreng, „Sie wiſſen, daß ich Verleumdung nie
geduldet habe. Geben Sie mir die Beweiſe, ich will ſie
ſehen, denn ich denke, wenn Sie es wagen, einen bisher
tadelloſen Cavalier des elendeſten, entehrendſten Verbre-
chens: gemeiner Käuflichkeit zu beſchuldigen, ſo werden
Sie auch Beweiſe haben.“
Die Vorleſerin erröthete leicht. „Verzeihung Hoheit,“
erwiderte ſie dennoch ruhig, „ich habe mir nie erlaubt,

Graf Bentheim der Käuflichkeit zu beſchuldigen; er iſt

meiner Anſicht nach der letzte Mann, welcher ſich von
den Feinden ſeines Fürſten beſtechen ließe; aber Seine
Hoheit der Herzog wünſchen die Verbindung des Für-
ſtien Georg nit Prinzeß Ulrike eben ſo ſehnlich, wie —“
„Ah, ich verſtehe!“ lächelte die Herzogin, „Sie mei-
nen, daß Karl mit dem Grafen unter einer Decke ſteckt?
— Es iſt wahr, dieſe Heirath iſt ſein Lieblingswunſch
und eigentlich — weshalb bin ich ihm entgegen?“ fügte
ſie ſinnend hinzu, „man hört nur Gutes von Fürſt Georg.
— Meinen ſie nicht auch, daß er der Prinzeſſin ein gu-
ter, verſtändiger Gatte ſein wird?“
„Es ſteht kaum anders zu erwarten,“ meinte Ma-

thilde mit einem Anflug von Lächeln, da er den Jahren

nach, der Prinzeſſin Vater ſein könnte.“

Die Herzoain biß ſich ärgerlich auf die Lippen.

„Das iſt es ja!“ murmelte ſie leiſe, „und Ulricke ver-
zeiht ihm ſein Alter nie; ich weiß es wohl.“
„Und können Ew Hoheit wirklich zürnen,“ nahm
die Hofdame wieder das Wort, „wenn die Prinzeſſin es
hart findet, bei ihrer Schönheit, ihrem Geiſt, ſich mit dem
ſo viel ältern Fürſten Georg zu vermählen, während
jüngere Prinzen gewiß — —“
„Darin haben Sie Recht, Mathilde. An Anträgen
fehlt es nicht, aber wie ſoll ich wählen? wenn die Ulrike
ſich nur ausſprechen wollte, ich würde gern ihre Neigung
berückſichtigen, aber ſie iſt ſo verſchloſſen: — — Bitte,
leſen Sie doch einmal dirſen Brief, den ich heute empfing.
Was meinen Sie dazu?“
Sie nahm das Schreiben, — daſſelbe welches Graf
Bentheim an dieſem Morgen ſo ſchon in Schrecken ver-
ſetzt hatte, daß er, all ſeinen Gewohnheiten zum Trotz,
am frühen Morgen in den Park geeilt war, ſeine Ver-
bündete aufzuſuchen — von ihrem mit Papieren bedeckten
Schreibtiſch und reichte es der Vorleſerin.
Mathilde las augenſcheinlich mit weit weniger Ueber-
raſchung als Freude. ö
„Nun, was ſagen Sie dazu?“ fragte die Herzogin,
als ſie geendet halte, ſehr dringend.
„Hoheit,“ rief Mathilde das Papier freudig erhe-
bend, „dieſer Brief iſt die ſchmeichelhafteſte Anerkennung,
welche je ein Menſch den Vorzügen der Prinzeſſin zollen
kann. Prinz Friedrich iſt ein leidenſchaftlicher Verehrer
der Schönheit, es iſt das Weib, nicht die Fürſtin, welche
er zur Gemahlin begehrt, und wahrlich, nur die Bewun-
derung, welche Prinzeß Ulrikens Liebenswürdigkeit, An-

ſondern eine

ſie die Feder ergriff,

muth und Geiſt an den fernſten Höfen genießt, konnte
ihn zu dieſer Wahl beſtimmen.. ö
lde. en Sie den Prinzen?“ fragte Sophie Clo-
tilde. ö
„Nur flüchtig, aber ſein Ruf bezeichnet ihn als einen

der geiſtreichſten und liebenswürdigſten Männer.“

„Ja,“ ſeufzte Sophie Clotilde, „aber leider auch als

einen der leichtſiunigſten. Man hört eigentlich nur wenig

Gutes von ihm.“
„Verzeihung, Hoheit, welcher geniale, lebensluſtige
Mann, noch dazu wenn er das Glück hat, Prinz zu ſein,
entgeht der Mißdeutung ſeiner Handlungen?“
„Ei, ei, Mathilde, Sie ſind ja eine eifrige Verthei-
digerin des Prinzen!“ ö
„Ich 2! Hoheit belieben zu ſcherzen! Nein, wenn
ich es wagen dürfte, meine beſcheidene Meinung zu äu-
ßern, ſo möchte ich bitten, dem Prinzen auch nicht die
geringſte directe Zuſage in dem Briefe zu machen, wel-
cher ihm erlaubt, ſeinen Beſuch auf Rüſing abzuſtatten.“
„Meinen Sie denn, Mathilde, daß ich Prinz Fried-

rich überhaupt einladen ſoll?“ fragte Sophie Clotilde

zögernd. „Ich dächte eigentlich den Prinzen hinzuhalten
und nach und nach — —“ ö
„Das gute Herz Ew. Hoheit wird dieſelben verhin-
dern, dieſen Entſchluß auszuführen. Bedenken Ew. Ho-
heit, mit welcher Sehnſucht der arme Prinz einer Ent-
ſcheidung harren muß.“ ö
„Ja, das iſt wahr, Mathilde, aber was ſchreiben
wir? Eine beſtimmte Verneinung möchte ich nicht gerne
aueſprechen, und erlaube ich Prinz Friedrich, nach Rüſing
zu kommen, ſo iſt das ſo gut, als hätte ich ſchon meine

Zuſtimmung gegeben.“ ö

„Verzeihung,“ erwiderte Fräulein von Rhon lebhaft.

„Ew. Hoheit muſſen vor allen Dingen Zeit gewinnen,

um dieſe Angelegenheit ruhig zu überlegen. Die Ent-
ſcheidung kann nur durch einen Aufenthalt Prinz Fried-
richs in Rüſing herbeigeführt werden; dieſen Aufenthalt
verweigern, wäre ein entſcheidender Bruch mit dem Hofe
von D. Dazu exiſtirt aber gerade jetzt kein nur einiger-
maßen triftiger Grund, während ſpäter, wenn Prinzeß
Ulrike den Prinz kennen glernt, ihr Wille einen ſehr an-
nehmbaren Vorwand bildet.“ ö ö
Sophie Clotilde hatte nachdenklich zugehört. „Es
mag Wahrheit in ihren Worten liegen, Mathilde,“ erwi-
derte ſie dann. „Laden wir alſo den Prinzen ein, nur
möchte ich nicht gern, daß mein Hof den Grund ſeiner
Anweſenheit ahnt; ſein Kommen muß als zufälliger Be-
ſuch gelten, und er ſelbſt darf aus unſerem Schreiben

auch nicht die leiſeſte Hoffnung ſchöpfen. So wird es

wohl am beſten ſein — und für das Weitere mag die
Zeit ſorgen.““ ſchtige
„Meine gnädige Herrin trifft ſtets das Richtige,

erwiderte Fräulein von Rhon enthuſiaſtiſch, indem ſie
ſich vor dem Schreibtiſch niederließ denn ſie führte größ-
tentheils die Correſpondenz der Herzogin. „Wenn Ew.
Hoheit die Gnade haben wollen, mich die genaueren Be-
fehle hinſichtlich dieſes Briefes wiſſen zu laſſen — —
„Wie, Mathilde, Sie wollen noch vor dem Früſtück
ſchreiben?! wir huͤben uns ohnehin ſchon verſpätet.“7“
„Nach dem Frühſtück gehören Hoheit nicht ſich
ſelbſt,“ bat Mathilde mit ihrem ſüßeſten Lächeln, „und es
bedarf ja nur weniger Worte.“ ö
„Nun die andern Damen werden ſich nicht grämen,

eine Viertelſtunde länger frei zu ſein,“ meinte die Fürſtin,

gutmüthig lächelnd. „Beginnen wir alſo.“ ö
Ein Frendenſtrahl brach aus Mathildens Blick, als
aber ſie wußte ihren Triumph ge-

iner gleichgülti Stirne zu bergen.
chickt hinter einer gleichgültigen Stirne zu ber
Ruhi ſchrieb ſie den einfachen herzlichen Brief, welchen
die Herzogin dictirte, ruhig faltete ſie denſelben, als
 
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