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Heidelberger Familienblätter — 1874

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No. 61 - No. 69 (1. August - 29. August)
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— 254 —

„Ja er reiſt übermorgen ab; die Geſchäfte des Groß-
herzogs rufen ihm nach R.“
„Die Geſchäfte? Ah ſo!
gen hierher zurück?“
„Ich glaube nicht, Durchlaucht.“
„Nicht? Er kommt nicht zurück? Und die Her-
zogin reiſt?“ Ulrike ging in wilder Aufregung im Zim-
mer auf und nieder; die Blicke der Hofdameu folgten ihr
ſtaunend und ängſtlich. ö
Plötzlich blieb ſie ſtehen.
drüben, nicht wahr?“
„Ja, Durchlaucht.“
„Es iſt überhaupt Geſellſchaft bei meiner Mutter?“
„Ja, Durchlaucht.“
„Gut, rufen Sie mein Kammermädchen und machen
Sie ſelbſt auch Toilette.“ Die Prinzeſſin wandte ſich,
das Gemach zu verlaſſen; doch Baroneſſe Wehen in der
Angſt, daß Ulrike den Verſtand verloren habe, vertrat
ihr zitternd den Weg. „Um Gotteswillen Durchlaucht,
was wollen Sie thun?“
„Zur Herzogin gehen, Sie Haſenfuß! und mir und
Ihnen die Freiheit zurückgeben!“ —
Es war Geſellſchaft bei Sophie Clotilde, und eine
frohe Geſellſchaft. Aus Aller Antlitz ſtrahlte das Ver-
gnügen, und wenn der Herzogin Blick zu Anfang des
Feſtes wehmüthig auf den Platz an ihrer Seite geheftet
war, den ſonſt Ulrike inne gehabt, und wenn ihr Herz
ſich nach der Tochter geſehnt hatte, Ulrikens Bild war
wenigſtens für den Augenblick in dem herrſchenden Froh-
ſinn vergeſſen. Da öffnete ſich die Thür, und in Be-
gleitung ihrer beiden Damen, trat die wenig vermißte
Prinzeſſin ein, vom Kopf bis zu den Füßen ſchwarz ge-
kleidet, mit einem Geſicht, ſo ernſt, ſo weiß, ſo kalt, daß
es das Lächeln auf allen Geſichtern erfrieren machte. —
Die Oſtentation in ihrer Erſcheinung reizte Sophie Clo-
tildens Zorn, und es war ein wenig verheißender Ton,

Er kehrt in einigen Tu-

„Der Herzog iſt heute

in welchem ſie die Worte ſprach: „Ah, Prinzeß Ulrike?

Darf man fragen, was Sie hierher führt?“
ODie Reue. — Hoheit ſehen eine Büßerin,“ ſagte
Ulrike, indem ſie angeſichts des ganzen Hofes vor der
Herzogin niederkniete. „Ich bekenne mich all der Ver-
gehen ſchuldig, welche Ew. Hoheit geruhten, mir zur Laſt
zu legen, und dehmüthig flehe ich um Vergebung, um die
Zurückgabe von Licht und Luft, welche Ihr Zorn mir
raubte.“ ö ö ö
Die Herzogin war in innerſter Seele verletzt, daß
die Prinzeſſin ihren Befehl, öffentlich Abbite zu leiſten,
ſo buchſtäblich erfüllte. Auch ſprach aus dem unheimlich
funkelnden Auge, der feſten Stimme ihrer Tochter wenig
Reue und Zerknirſchung. Ohne Ulrike aufzuheben, erwi-
derte die Herzogin: „Es freut mich, Durchlaucht, daß die
Tage der Einſamkeit Sie zum Nachdenken und zur Er-
kenntuiß gebracht haben.“ —
ö „Ja Hoheit!“ erwiderte die Prinzeſſin mit flammen-
dem Blick: „Ich habe in den letzten Tagen viel gedacht,
und als Reſultat meines Denkens die Einſicht gewonnen,
daß Ungehorſam das verabſcheuungswürdigſte, das ſtraf-
barſte Laſter iſt, ein Attentat auf die feſtbegründete Welt-
ordnung, wonach der Mächtige befiehlt, und der Schwache
ein Frevler iſt, wenn er nicht gehorcht! Wir beugen

uns vor Gott, weil er Macht hat, uns zu vernichten, wir

gehorchen dem Fürſten, weil er uns tödten laſſen kann;

Sie, Hoheit, haben mir Ihre Macht bewieſen, indem Sie
mich einſperren ließen, mich ousſchloſſen von Sonne und

Luft“ — —
„Prinzeſſin!“ ö
Aber Ulrike fuhr fort zu reden mit einer Leiden-

ſchaftlichkeit, die nur dämoniſcher durch ihre Zügelung

erſchien. „Hoheit, ich beuge mich in Gehorſam vor Ih-

nen, und' in Dankbarkeit, ja in tiefer Dankbarkeit, daß
h mich Ihre Macht nicht ſchon jahrelang empfinden
ießen.
Sophie Clotildens Geduld hatte ihr Ende erreicht,
und es wäre unfehlbar zu völligem Bruch zwiſchen dieſen
gleich heftigen und eigenſinnigen Charakteren gekommen,
wenn nicht der Herzog ſich mit begütigenden Worten an
ſeine Mutter gewandt hätte. Seinen vernünftigen Vor-
ſtellungen verdankte es Ulrike, daß die Herzogin, ruhiger,
als zu erwarten ſtand, auf ihre bitteren Reden erwiderte:
„Stehen Sie auf, Prinzeſſin. Ich wünſchte, daß Ihre
Reue Sie nicht zu dieſer auffallenden Darſtellung veran-
laßt hätte.“
„Ich befolgte Ew. Hoheit ausdrücklichen Befehl,“
erwiderte Ulrike ſich erhebend.
„Wohl! ich ſtreite nicht! Die Herzogin hat Genug-
thuung empfangen, und ſo Sie ſind des Stubenarreſtes, der
Ihnen ſo viel Kummer macht, überhoben, Prinzeß. Ich
überlaſſe Ihrem eigenen Urtheil, zu entſcheiden, ob ein
Betragen, wie das Ihrige, geeignet iſt, eine Mutter zu
verſöhnen.“ — —
„Ich ſprach nur zu der Herzogin,“ entgegnete Ul-
rike ſich verneigend. Sie machte nicht lange Gebrauch
von der neuerhaltenen Freiheit. Früh kehrte ſie in ihre
Gemächer zurück, wo ſie zu ernſthafter Beſorgniß ihrer
Hofdamen geiſtig und körperlich gebrochen auf das So-
pha ſank.
Gewiß! die ſtolze Prinzeſſin mußte mehr als ihr
Leben den Mann lieben, um deſſentwillen ſie ſich einer
ſolchen Demüthigung unterwarf. —

(Fortſetzung folgt.)

Die Dperationen des Corps des Generals
v. Werder.
(Fortſetzung.)
Allen dieſen Wünſchen zugleich nachzukommen, hätte

zur Auflöſung des Corps geführt! Es wurde nun an
dieſem Tage (29. Octbr.) der Marſch nach Dijon ſiſtirt,

um die Etappenlinie auf Epinal in's Werk zu ſetzen, da

brachte die einfache Meldung einer Reiterpatrouille über

das vom Feinde freie Dijon den Wechſel dieſes Planes:

man wollte das an Subſiſtenzmitteln aller Art reiche
Dijon ſich jetzt nicht entgehen laſſen, denn es war Noth
an Allem eingetreten, bis auf das zerriſſene, bei dem
beſtändigen Regen halbverfaulte Schuhwerk herab! Selbſt
die Pferde des Hauptquartiers hatten ſich mit 7. Ratio-
nen Hafer begnuͤgen müſſen! Als Werder mit einem
Bruchtheil der Truppen dahin aufbrach (die anderen wa-

ren auf die Stationen gegen Epinal zurückgegangen), war

auch Jauconnet da mit 810,000 Mann, um die Stadt

ſtreitig zu machen. Ihm ſchloß ſich die fanatiſtrte Bevöl-

kerung an. Die badiſchen Truppen ſiegten. Jauconnet
ſtarb an ſeinen Wunden. ö ö
Belfort wurde jetzt von der erſten Reſervediviſion
unter Treskow ſchwach cernirt. Während es in und um
Dijon von Tag zu Tag ungemüthlicher wurde; und ſo-
gar die zahlreiche Arbeiterbevölkerung Miene machte, ſich
zu erheben, auch die Formation der Lyoner Armee ſich
bis hierher fühlbar machte, und Werder dieſem Allem nur
10,000 Mann mit 36 Geſchützen entgegenſtellen konnte:
traf ein Telegramm ein, das die Beſetzung von Chatillon
ſur Seine und Troyes begehrte, aber auch zu einer Offen-
ſive gegen Dole und Chalons ſur Saone ermächtigte,
 
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