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Heidelberger Familienblätter — 1874

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No. 79 - No. 87 (3. October - 31. October)
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Zwiſchen den Zähnen ſteckt ein kurzer Pfeifenſtummel

und der Jägersmann pafft gewaltige Wolken daraus.
Dennoch, ſei es, daß der Jagdknaſter daran Schuld iſt
oder daß der Raucher vor lauter Eifer und Ungeduld
das Rauchen vergißt, geht ihm die Pfeife ſehr oft aus.
Er zieht dann Stahl, Stein und Schwamm, wofür die

Herren von der grünen Farbe noch einige Pietät bewahrt

haben, aus der Taſche und verſucht, Feuer zu „pincken,“
— nicht ohne bemerkbare Unbeholfenheit: denn die Ar-
matur kommt ihm immer in die Quere. Auch an einem
Jagdmeſſer, Hirſchfänger und Jagdhorn pflegt es nicht
zu fehlen, für deu Fall, daß etwa ein Keuler oder ſon-
ſtiges Ungethüm angelaufen käme. Niemals aber fehlt
eine Lederflaſche an grüner Schnur. Dieſe iſt handlicher
angebracht, als alles andere Rüſtzeug, wird ſehr häufig
an den Mund gebracht und äußert ihre Wirkung durch
einen ſchmatzenden Seufzer, durch einen beſonders grim-
migen Blick, und Verziehen des Geſichts und ein behag-
liches Reiben in der Magengegend. — Da der Sonn-
tagsjäger ungleich häufiger kurzſichtig iſt, als der wirk-
liche, hat er ſich mik Brille, Pince⸗nez, Lorgnon, ja auch
wohl einem Operngucker verſehen. — Sein Gang iſt
höchſt charakteriſtiſch. Er ſchreitet gewöhulich ſehr breit-
ſpurig einher und hebt namentlich auf der Stoppel, im
Kartoffelfeld- oder gar auf dem Sturzacker die Beine
unbändig hoch, ſtolpert aber, Dank den großen, ſchweren
Stiefeln, trotzdem ſehr oft. Zugleich ſchwitzt er heftig,
iheils in Folge der Corpulenz, die bei dieſer Spezies
ſtark vertreten iſt, theiis in Folge der ungewöhnlichen
Anſtrengung, vorzüglich aber wegen der beſtändigen Auf-
regung, in die ihn jeder vorüberfliegende, laufende oder
ſonſt in Bewegung gerathende Gegenſtand verſetzt. Kommt
nun wirklich einmal ein Individuum uuſeres Geſchlechts
in Sicht, ſo wird die Aufregung zur Exaltation und
ſteigert ſich wohl ſchließlich bis zu einem krampfhaften
Zittern. In der Regel haben wir längſt das Weite ge-
ſucht, ehe dieſer Zuſtand ſoweit überwunden iſt, daß das
Mordrohr ſchußfertig angelegt werden kann. Es giebt
aber auch Erfahrene unter uns, die ihren Mann ſofort
erkennen und ſich vor ihm nicht fürchten. Die bleiben
dann in ihrem Uebermuth ruhig ſtehen und machen allen-
falls noch die weltbekannten poſſirlichen Männchen. Da
ſoll es dann ab und zu vorgekommen ſein, daß ein ſolcher
Sonntagsjäger in ſeiner Gutmüthigkeit und zoologiſchen
Unwiſſenheit uns für ein Menſchenkind angeſehen und
warnend zugerufen hat: „Geh, Kleiner, hier wird geſchoſ-
ſen.“ In der That iſt das Stehenbleiben in ſolchen
Fällen nicht blos ungefährlich, ſondern beinahe rathſam.
Wer ſich dem zielenden Sonntagsſchützen in Ruhe und
Unbeweglichkeit gewiſſermaßen als Scheibe präſentirt, iſt
am ſicherſten, nicht getroffen zu werden. Selbſtverſtändlich
kann man ſich dergleichen Schelmenſtreiche nur erlauben,
wenn man ſeiner Sache und beſonders ſeines Mannes
vollkommen ſicher iſt. ö
„Die Sonntagsjäger ziehen übrigens in der Regel
nicht vereinzelt, ſondern in größeren oder kleineren Grup-
pen zu Felde. Sie unterhalten ſich dann ſehr laut, vor-
zugsweiſe über ſelbſterlebte wunderſame Jagdabenteuer, und
hüten ſich auf's Peinlichſte, aus dem obligaten Jäger-
latein in ihre gewöhnliche Sprache zu verfallen; ein Ver-
ſtoß hiergegen zieht nicht bloß den allgemeinen Spott,
ſondern auch eine Pön nach ſich.
ö „Eine bemerkenswerthe Rolle in den Jagdzügen der
Sonntagsjäger ſpielen auch ihre vierfüßigen Begleiter,
die Hunde. Ihrem ſonſtigen Berufe als Haus⸗, Hof-
und Stubenwaͤchter, Viehtreiber, Geſellſchafter, Kunſtſtück-
macher u. ſ. f., für den Jagdtag entfremdet, verdienten
ſie wohl den Namen „Sonntags⸗-Jagdhunde.“ Im Voll-

24

. —

gefühl ihres maulkorbledigen Daſeins preſchen ſie ſich
wacker herum; ſie ahnen ebenſo wenig, wozu ſie zu dieſem
Spaziergang mitgenommen worden ſind, als ihre Gebieter
wiſſen, wozu ſie ſie mitgenommen haben. Auch ſie er-
kennt ein kluger Haſe auf den erſten Blick und macht ſich
ein Vergnügen daraus, ihnen durch Kreuz⸗ und Quer-
ſprünge ein Schnippchen zu ſchlagen.
„Wenn ungeachtet aller dieſer Wahrzeichen dennoch
manchial einer der Unſrigen vor dem Rohre des
Sonntagsjägers gefallen iſt, ſo geſchah dies, wie die Sec-
tion nachgewieſen hat, nicht in Folge der äußeren Ver-
letzung, eine ſolche war nirgends nachweisbar, ſondern
nur Nervenlähmung, herbeigeführt durch ungerechtfertigte
und allzugroße Angſt. Dieſe iſt es, wovor ich Sie noch-
mals auf das Eindringlichſte warnen muß.“) Ich ſchließe
meine Vorleſung mit dem Wunſche, daß Sie auf ihrem
Lebenswege immer nur Sonntagsjägern begegnen, vor
Allem aber, daß Sie niemals in die unglückliche Situa-
tion eines Keſſeltreibens gerathen, das der böſe Menſch
erſonnen hat, um uns durch berufene und unberufene
Feige niedermetzeln zu laſſen.“ ö
Soweit Meiſter Lampe. Das Auditorium zerſtreute
ſich nach allen Richtungen und auch wir gingen heim-
wärts. Vor uns zog ein Trupp von Waidmännern. Sie
hatten offenbar an ihren Ranzen nicht nur ſchwer zu tra-
gen, waren aber gar luſtig und guter Dinge und ſan-
gen: „Im Wald und auf der Haide.“ Wir ſchlenderten
hinter ihnen her bis in die Stadt. Sie ſteuerten ſämmt-
lich einem Wildkeller zu, ſtiegen in die Tiefen deſſelben
hinab, und als ſie nach kurzer Friſt wieder empor kamen,
ſiehe, da hatte jeder von ihnen einen dick angefüllten
Jagdranzen. X. X.

) Der Redner vergißt offenbar die Selbſtmörder unter den
Haſen. „Man ſagt, er wollte ſterben,“ dieſe Worte paſſen ſo
gut, wie auf Max Pikolomini ohne Zweifel auch auf manches
Häslein, das dem Sonntagsjäger in die Kugel läuft. Die Red.

Verſchiedenes

— Rathe von wem! In Kopenhagen erhielten
jüngſt zwei in Weſterbro wohnende alleinſteheude Damen
ein Brieſchen zugeſandt, welches zwei Theaterbillets für
die den Abend ſtattfindende Vorſtellung und die geheim-
nißvollen Worte „Rathe von wem!“ enthielt. Bald hatte
die weibliche Neugierde geſiegt, die Schönen machten ſich
rechtzeitig auf den Weg zum Theater, nahmen die be-
wußten Plätze ein, doch umſonſt — der unbekannte Billet-
Wohlthäter war nirgends ausfindig zu machen. Man
tröſtete ſich, denn es war ſehr nett im Theater und in
angenehmſter Stimmung wanderten die Damen heim. Doch
zu Hauſe in Weſterdro angekommen — o Schrecken —
da fanden ſie ihr liebes Heim von beutegieriger Hand
vollſtändig ausgeräumt. Nun war das Rüthſel gelöst;
ein ſchlauer Dieb hatte den armen bethörten Jungfrauen
die Billets geſandt, um ungeſtört ſein böſes Werk aus-
führen zu können. ͤ

(Verkannte Krankheit.) „Frau Loni, wiſſen
Sie ſchon, daß unſere Direktorin recht krank iſt; der ö
Doctor ſagt, ſie habe ſich eine falſche Rippe gebrochen!
— „Geſchieht ihr ganz recht, warum trägt ſie auch immer
ſo falſches Zeug!“ ö

Webton. Sruck und Nerlag von Adolph Emmerling in Heidelbern.
 
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