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Hampe, Karl [Bearb.]
Nachlass Karl Hampe: Letztes Korrekturbogen-Exemplar von Kantorowicz mit meinen kritischen Bemerkungen (Manuskripttitel) — Heidelberg, 1926-12-28/​1927-1-29

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https://doi.org/10.11588/diglit.34052#0477
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Petri umstürzen .. wolle mit neuen Riten die „drei Betrüger“ noch über-
ragen, Bräuche der heidnischen Vorzeit erneuern, sich im Heiligsten
selbst als Papst oder als Gott feiern lassen! Keines der Schreckensge-
rüchte verfing: die Römer berauschten sich an den „tönenden Worten,
den großen Gebärden und furchterweckenden Taten“ ihres Imperators
und Caesars und jubelten in Erwartung des nahendenlorbeergeschmück-
ten Heilands: ECCE SALVATOR! ECCE IMPERATOR! VENIAT,
VENIAT IMPERATOR! Das Schicksal der Welt stand auf des Mes-
sers Schneide: jene Vision „von überirdischem Zauber und Farbenreiz:
Cesare Borgia als Papst!“ schien damals vorweggenommen der Erfül-
lung schon nahe.
Doch nicht umsonst hat sich Roma — „die Hure, die sich geil jedem
ihr nahenden Mann anbietet“, wie ein zeitgenössischer Chronist bemerkte
— auf Siegeln dargestellt als ein Weib mit der Friedenspalme in einer,
der Weltkugel in der andern Hand, auf einem Löwen ruhend, dem Zei-
chen der christlichen Weltherrschaft, welche nur durch sie Kaiser und
Papst ausübten. Wer zuerst um sie warb, war der Sieger. Papst Gre-
gor IX. hatte bislang noch im Warten verharrt. Jetzt in der höchsten Not
wandte er sich um Hilfe an Roms Heilige: die beiden Apostel. Es war
der Tag der Stuhlfeier Petri. In feierlicher Prozession ließ der Papst
trotz der Wirren wie üblich die Häupter der Apostelfürsten Paulus und-
Petrus, Holzsplitter vom Kreuze Christi und andre Reliquien des christ-
lichen Rom nach Sankt Peter tragen. Er selbst, der Uralte, den man hun-
dertjährig glaubte, schritt in Weihrauch gehüllt inmitten der ihm noch
treuen Kardinäle und Prälaten einher. Die Menge empfing ihn mit lär-
mendem Hohn. Aber der sonst so wilde Papst Gregor bewahrte völlig
die Ruhe des Königs. Er wies auf die Apostelhäupter: „Hier sind die rö-
mischen Altertümer, um deretwillen eure Stadt verehrt wird! Hier die
Kirche und hier die Reliquien der Römer, die ihr bis zum Tode zu
schützen habt! Ich kann nicht mehr tun als ein andrer Mensch: aber ich
fliehe nicht, denn hier erwarte ich die Barmherzigkeit Gottes!“ Und die
Tiara vom Haupte nehmend setzte Gregor sie schützend über die Reli-
quien der Heiligen: „Ihr, Heilige, verteidigt Rom, wenn die Römer Rom
nicht mehr schützen wollen!“ D^ riß sich die eben noch höhnende
Menge schluchzend die Kaiseradler, die Zeichen des Antichrist, von den
Kleidern und versah sich mit dem Zeichen des Kreuzes zum Kampf
für die unendlich bedrohte Kirche. Der Caesar im Triumphatorenpurpur
war in Rom vergessen. Friedrich II. zog an der Hauptstadt der Welt vor-
bei in sein apulisches Königreich.

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