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Hampe, Karl [Bearb.]
Letztes Korrekturbogen-Exemplar von Kantorowicz mit meinen kritischen Bemerkungen (Manuskripttitel) — Heidelberg, 1926-12-28/​1927-1-29

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https://doi.org/10.11588/diglit.34052#0558
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Eunuchen bewachen lasse, der in Jerusalem die Anrufung Mohammeds
im Tempel des Herrn geduldet habe, Sarazenen als Krieger wider die
Christen verwende, sich mit dem Schismatiker-Kaiser Johann Vatatzes
verschwägerte, durch Assassinen Fürsten aus dem Wege räume, trotz
des Bannes die heiligen Mysterien in seiner Gegenwart feiern lasse.,
der, von den Ausschweifungen seines Haremslebens ganz zu schweigen,
Sitten und Handlungsweise eines katholischen Fürsten mißachte und
sich nicht bemühe, durch fromme Werke das Heil seiner Seele und sei-
nes Rufes zu fördern., er gebe keine Almosen, zerstöre wohl Kirchen
und bedrücke die Kleriker, habe aber noch keine Kirchen Klöster Hospi-
täler und andre frommen Zwecken dienende Bauten errichtet. Kraft sei-
ner päpstlichen Binde- und Lösegewalt erkläre daher der Papst den in
seinen Sünden verstrickten Kaiser für abgesetzt, die Länder seien vom
Treueid gelöst, ein neuer Kaiser sei zu erwählen. — Darauf löschten
Papst und Prälaten die Fackeln die sie in Händen trugen, und während
sich Thaddeus von Suessa weinend Brust und Schenkel schlug und mit
den andern Vertretern des Kaisers die Kathedrale verließ, stimmten
Papst und Prälaten das Tedeum an.
Der Kaiser empfing die Nachricht in Turin mit Schmerz Zorn und
Hohn. Wie könne der römische Imperator, der Herr aller Majestät, des
Majestätsverbrechens verurteilt und äbgesetzt werden! Finster habe er
darauf befohlen, ihm seinen Kronschatz zu bringen. Dem habe er wäh-
lend eine seiner vielen Kronen entnommen, habe sich diese selbst aufs
Haupt gesetzt und drohend gesagt: noch habe er seine Kronen nicht
verloren und werde sie weder durch päpstliche Niedertracht noch durch
Konzilsbeschluß yerlieren ohne blutigsten Kampf. Besser als zuvor sei
jetzt seine Lage: denn bisher habe er dem Papst noch gehorchen müs-
sen, nun sei er — ein Freibeuter — jeder Verpflichtung ledig.
Vor einem zweiten Canossa, vor einem demütigenden Frieden und
einem Abstieg von der Kaiserhöhe hatte Papst Innocenz selbst Fried-
rich II. bewahrt., die Flugschriften aber hatten dem letzten Kaiser des
römischen Reiches wider Willen auch den Endweg geöffnet, den zu be-
schreiten der Staufer jetzt nicht mehr zögerte. Er, den man in Lyon einen
„Proteus“ genannt, der nicht zu-fassen sei, weil er immer wieder die Ge-
stalt wechsle, war auch zu der letzten Metamorphose bereit, zu der man
ihn zwang. Etwas von jenem nordischen Trotz und jenem nordischen
Grauen, das mit so vielem andern dem Staufer innewohnte, kam jetzt
zum Durchbruch, als Friedrich II., den man Antichrist und Hammer der
Welt hieß, seinen Getreuen den neuen Ton angab: „Lange genug war
ich Amboß., jetzt will ich Hammer sein!“

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