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Hampe, Karl [Bearb.]
Letztes Korrekturbogen-Exemplar von Kantorowicz mit meinen kritischen Bemerkungen (Manuskripttitel) — Heidelberg, 1926-12-28/​1927-1-29

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https://doi.org/10.11588/diglit.34052#0562
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jeder Bösartigkeit und dazu jeden Hohnes und Spotts fähig gewesen:
„Ich habe nie ein Schwein aufgezogen, dessen Fett ich nicht gegessen
hätte“ ist ein Wort des Kaisers. Abei das Böse, welches bisher noch der
Staat rechtfertigte, erhielt jetzt Sinn nur durch das Weltringen um die
Person des Staufers, die allein noch der Staat war. Denn hatten früher
die Staatsnotwendigkeiten das Recht bestimmt, so jetzt nur des Kaisers
persönliche Nöte: Recht war was ihm persönlich im Augenblick nötig
und als Waffe nützlich war .. und Rechtsbeugungen, ehemals staatsnot-
wendig und dem Weltganzen dienend, erschienen nunmehr als Ausfluß
kaiserlicher Willkür. Von seinem persönlichen Wohl und Wehe und nur
von diesem hing eben, wie die Theorien so oft verkündeten, das Heil des.
Imperiums ab, das der andern Völker und Könige und derer, die an
ihn glaubten. Tyrannischer gewalttätiger ungeheuerlicher und tat-
sächlich auch härter und grausamer ward jetzt jedes Eingreifen und
jedes Geschehen, weil es nur der rücksichtslosen Erhaltung eines ein-
zigen Wesens zu dienen schien. Gerade weil Friedrich II. der Heiland

hätte sein können — und in den Augen der Getreuen immer noch war
konnte er auch der leibhaftige Antichrist sein .. und da er selbst ein Prie-
ster alle Mysterien kannte, war wiederum keines vor seinem spottenden
furchtlosen Zugriff sicher wie seinem weltweiten Geist keiner der tau-
send Dämonen dieser Welt noch ein Fremder war: denn mit dem Grauen

verband er ja alle Süße des Herrn der Welt, alles Verführen Berücken
und Locken, alles zarte Wecken der von heiliger und frommer Scheu
solange gebannten erdnahen Mächte . . alle die dämonischen Zauber-

wesen des Ostens, die den Menschen äffen, hatten Platz in ihm und alle

die flüchtigen Dschinne, alles bösartig satanisch-teuflische Gift der Wel-
schen, und alles maßlos gefährlich Kühne des deutschen Mephisto, der
über die Alpen steigt „und glaubt, daß ihm dort alles gehöre“. Auf ihn
als Ersten wäre das große Wort eines der deutschen Reformatoren mit

Fug anzuwenden: „Ein welscher Deutscher ist ein ,diabolo incarnato1!“
Daß kirchliche Glaubenssätze, daß Bann und Entthronung durch ein

Konzil an diesem Genius und Herrscher der Widerwelt sich wirkungs-
los brachen, an dem sich „die Steine der päpstlichen Schleuder in Stroh

wandelten“, bedarf kaum noch der Worte. Zahllos sind die Blasphe-
mien, die man ihm zuschrieb und von ihm glaubte . . gleichgültig ob mit

Recht oder Unrecht. Denn waren es auch maßlose Übertreibungen und
seichte Lügen, welche die Kirche in ihrer Abwehr verbreitete — und

weiter verbreitete als es Friedrich II. im Gespräch mit den Freunden ver-

mocht hätte: die Wirkursache war dann doch der Kaiser, der eben auch
ungewollt und nur mittelbar zum Auflöser und Antichrist wurde, weil


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