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EINLEITUNG
SÜDDEUTSCHE ZINNPROBEN UND ZINNMARKEN
Die mannigfachen Bestimmungen über die Proben und das Markenwesen der süd-
deutschen Zinngiesser sind ein getreues Spiegelbild der politischen Kleinstaaterei des
Landes. Herzog- und Fürstentümer, Grafschaften und Landstände, Bistümer und Hoch-
stifte, grosse und kleine Reichsstädte hatten alle das Recht, ihren Zinngiessern Privilegien
zu verleihen und Zinnproben nach eigenem Ermessen festzusetzen. So finden wir, an-
gefangen vom lauteren Bergzinn und feinen englisch Zinn bis hinunter zu den gering-
wertigsten Mischungen, alle Arten von Proben vertreten. Dazu kommt noch, dass manche
Städte im Laufe der Zeit ihre Bestimmungen über die Proben und das Markenwesen mehr-
mals geändert haben. Manche Orte und Landgebiete kennen nur eine, andere zwei, und
wieder andere drei verschiedene Proben nebeneinander. Trotz dieses auf den ersten
Blick willkürlich erscheinenden Durcheinanders lassen sich bei näherer Betrachtung doch
bestimmte und ziemlich klar ausgeprägte Normen zusammenfassen.
Als oberster Leitstern steht zunächst die in Süddeutschland allgemein gekannte,
wenn auch nicht allgemein geübte Reichsprobe zum Zehnten, die ein Mischungsverhältnis
von io Teilen Zinn und einem Teil Blei vorschreibt. Die drei im Zinngiesserhandwerk
führenden Städte Augsburg, Nürnberg, Ulm hielten Jahrhunderte hindurch unverbrüchlich
an dieser Probe fest. Dem Beispiel der drei führenden Städte folgten zeitweise zahlreiche
andere, wie Amberg (V S. 7), Fürth (V S. 190), Gmünd (V S. 199), Isny (V S. 261), Lands-
hut (VI S. 18), Memmingen (VI S. 71), Ravensburg (VI S. 185), Regensburg (VI S. 190),
Traunstein (VIIS. 4), Überlingen (VIIS. 12), Villingen (VII S. 42) und Würzburg (VIIS. 72).
An manchen Orten fand die Bezeichnung »zum Zehnten« eine andere Auslegung. Man
nahm nicht zu 10, sondern nur zu 9 Pfund Zinn ein Pfund Blei und nannte, da man bei
9 Pfund Zinn und 1 Pfund Blei ein Gesamtgewicht von 10 Pfund erhielt, auch diese etwas
geringere Mischung »zum Zehnten«. So finden wir es in Ansbach (V S.i 1), Bayreuth (V S. 82),
Durlach (VS. 135), Esslingen (VS. 155),Freiburg (VS.171), Hall (VS. 211), Lindau (VIS. 33),
München (VIS. 96) und Pforzheim (VI S. 180). Diese willkürliche Auslegung des Begriffs
»zum Zehnten« führte in manchen Städten zeitweise zu noch schlechteren Proben, indem
man zu 8, 7 oder gar nur zu 6 Pfund Zinn 1 Pfund Blei zusetzte (Bamberg VS. 75 ; Bayreuth
V S. 83 ; Hall V S. 212 ; Nördlingen VIS. 134; Reutlingen VIS. 214).
Den Städten und Landgebieten mit einer einheitlichen Probe stehen diejenigen gegen-
über, die mehrere Proben nebeneinander gestatteten. Eine erhebliche Reihe von Städten,
wie Ansbach (VS. 11), Baden (VS. 71, 135), Hall (VS.211), Heilbronn (V S.226), Isny
(VS.261), Kempten (VS.276), Lindau (VIS.34), Oehringen (VIS. 161), Ravensburg (VI
S.185), Überlingen (VII S.12), Villingen (VII S.42) usw. kennt neben der Probe zum Zehnten
noch eine Probe zum Vierten oder Fünften, die auf vier Pfund Zinn 1 Pfund Blei zulässt.
Die badischen, elsässischen und württembergischen Landesordnungen oder einzelne Städte
aus diesen Gebieten kennen drei Sorten von Zinn: 1. Lauter- oder Feinzinn ohne oder mit
nur sehr geringem Bleizusatz, 2. Probezinn nach Nürnberger Art mit 10 oder 9 Teilen Zinn
und 1 Teil Blei, 3. die Probe zum Vierten mit 4 Teilen Zinn und 1 Teil Blei. Die zuletzt
genannte Mischung ist in diesen Gegenden wegen ihrer Wohlfeilheit die bei weitem ge-
bräuchlichste. Sie ist auch für viele Städte der Schweiz, wie Biel, St. Gallen, Schaffhausen
und Zürich massgebend gewesen (VIIS. 319, 351, 363, 365 Nr. 2255, 398). Aus technischen
Gründen fand bei den geschlagenen, also mit dem Hammer und nicht durch Guss

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