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Hirschfelder, Dagmar
Tronie und Porträt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts — Berlin: Mann, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.47555#0234

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214

Verbreitung und Formen der Tronie

Abb. 35 Heinrich Aldegrever, Tanzendes Paar, Kupferstich,
1538 (aus der Serie der Großen Hochzeitstänzer) [Kat. 2]


Die Integration historisierender Elemente kann als
wesentliches Kennzeichen von Tronien in >reicher
Phantasietracht< oder in kriegerischer Tracht< und
damit einer besonders großen Gruppe des Bildtyps
gelten. Es lässt sich zeigen, dass solche Werke in zeit-
genössischen Inventaren gelegentlich mit dem Zu-

satz >antiek< umschrieben werden. Zwar verwies der
in verschiedenen Schreibweisen auftretende Termi-
nus im 17. Jahrhundert einerseits auf die griechische
und römische Antike, er konnte jedoch andererseits
auch in einem allgemeineren Sinne >alte< oder >altmo-
dische< Gegenstände und Kunstwerke bezeichnen.100
Gerard de Lairesse verwendet den Begriff in sei-
nem Groot Schilderboek explizit für die Charakteri-
sierung von Kostümen, wenn auch im Zusammen-
hang mit der Behandlung der Porträtmalerei: Lairesse
zufolge kostümierte Peter Lely seine Auftraggeber in
einerWeise, die man »Antyke manier«101 nenne. Lelys
Gestaltung der Gewänder auf Porträts - wie auch der
Bildnisse insgesamt - lehnte sich an jenen Porträttyp
an, den Anthonis van Dyck in den dreißiger Jahren
in England eingeführt hatte [Kat. 124, Taf. 25].102 Die-
ser zeichnet sich dadurch aus, dass die Dargestellten
eine informelle, locker drapierte Kleidung tragen, die
Kostümteile älterer Epochen sowie frei erfundene
Elemente aufnimmt.103 Lairesse verwendet den Begriff
>antiek< also zur Bezeichnung phantasievoller bzw.
historisierender Kostüme, die nicht mit der zeitgenös-
sischen Mode übereinstimmen.104 Eine entsprechende
Definition gibt der Autor an anderer Stelle, wenn er
erklärt, was mit dem von ihm synonym zu dem Wort
>antiek< gebrauchten Begriff >Romeinsch< gemeint sei:
»een kleeding en opschik, geheel niet met de Mode
overeen körnende, maar daar buiten zynde, [...] wel-
ke nochtans gantsch geen overeenkomst met de oude
Roomsche kleeding heeft.«105
Werden Tronien von Lievens, Rembrandt und des-
sen Schülern oder Nachfolgern in zeitgenössischen
Inventaren als >antiek< bezeichnet,106 handelt es sich
gewiss nicht um Figuren in Gewändern van Dyck-
scher Prägung. Vielmehr dürften hier jene Figuren
gemeint sein, die eine auf die Mode des 16. Jahrhun-
derts rekurrierende Phantasietracht tragen. Hierfür
spricht nicht zuletzt die Tatsache, dass der Begriff

100 WNT / Supplement 1882ff., Bd. 1 (1956), Sp. 1268f., 1270-
1274; Pauw de-Veen 1969, S. 59; bes. Winkel 2005, S. 62 m.
Anm. 116.
101 Lairesse 1740, Bd. 2, S. 6, empfiehlt »de mode met het schilder-
achtige te vermengen, gelyk die groote Meester Lely gedaan
heeft, het welk men gemeenlyk de Schilderachtige of de An-
tyke manier noemt, doch by het gemeen en onkundig volk
Romeinsch werd genaamd.« Vgl. hierzu Groeneweg 1985, S.
420f.; Gordenker 1995, S. 22; Kemmer 1998, S. 109-111. Vgl.
auch Sandrart / Peltzer 1925, S. 344, der erwähnt, dass Daniel
Bock lebensgroße Porträts »mit antichen Habit« gemalt habe.
102 Zu Lelys Bildnissen und deren Kostümierung vgl. Marly
1978; Marly 1980, S. 276, 280; Groeneweg 1985, S. 421;

Gordenker 2001, S. 22f., 69f., 71-73, 76; Tasch 1999, S.
45-56, 65-68.
103 Vgl. unten, Kap. IV.2.2.2, S. 286f.
104 Gordenker 1995, S. 22.
105 Lairesse 1740, Bd. 2, S. 8.
106 Vgl. z.B. Strauss / Meulen 1979, Dok. 1657/2, Nr. 304, S. 397
(Inv. Johannes de Renialme, Amsterdam 27.6.1657): »Rembrant
van Rijn antijce troni«; GPI 1994-2003, N-2218, Nr. 0038 (Inv.
Pieter Danielsz. van der Pels, Amsterdam 13.1.1659): »Twee
antique tronien, van Coninck.« Vgl. auch Montias Database
2 [2003], Inv. 452, Nr. 0024 (Inv. Jan Deijman, Amsterdam
23.3.1668): »Een antycqs vrou mens van Jan Lievensz.«
 
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