Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hirschfelder, Dagmar
Tronie und Porträt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts — Berlin: Mann, 2008

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47555#0255

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Der Handel mit Tronien

235

enthalten anonyme Tronien.34 Da die Zahl der Tro-
nien, deren Maler genannt wird, vergleichsweise
niedrig ausfiel, wurden 12 weitere bei Bredius pu-
blizierte Künstlerinventare, die zugeschriebene Tro-
nien verzeichnen, in die Stichprobe aufgenommen.35
Insgesamt wurden so Taxierungen von 334 Tronien
ermittelt (vgl. Tab. 2).
Um Aussagen hinsichtlich eines leichten Anstiegs
oder Abfalls der Preise für Tronien im Laufe der
untersuchten Periode (1625-1699) zu treffen, ist die
Anzahl der Tronien, aus denen sich die Stichpro-
be zusammensetzt, zu klein. Bereits wenige teure
Werke können das Gesamtbild verzerren. So ergibt
sich z. B. bei der Auswertung der zwischen 1625 und
1649 taxierten, zugeschriebenen Tronien em Durch-
schnittswert von 9,8 fl. statt 16,0 fl., wenn man eine
auf 60 fl. taxierte Tronie Rembrandts und zwei >Tro-
nien< zu je 50 fl. von Gortzius Geldorp, bei denen
es sich vermutlich um biblische oder mythologische
Einfigurenbilder handelt, aus der Zählung heraus-
nimmt.36 Teilt man die untersuchte Periode in drei
Zeitabschnitte von je 25 Jahren ein, lässt sich jedoch
immerhin feststellen, dass sich die Preise für Tronien
grundsätzlich etwa im gleichen Preissegment be-
wegten: Für die zugeschriebenen Werke ergeben sich
in den Jahren 1625-1649, 1650-1674 und 1675-1699
Durchschnittspreise von 16,0 fl., 12,8 fl. und 9,8 fl.;
die entsprechenden Preise der anonymen Bilder be-
tragen 2,8 fl., 4,2 fl. und 5,0 fl.
Wie sich Tabelle 2 entnehmen lässt, ergab die Aus-
wertung des Materials erwartungsgemäß einen deut-
lichen Preisunterschied zwischen anonymen und
zugeschriebenen Tronien: Während die anonymen
Bilder auf durchschnittlich 4,0 fl. taxiert wurden, er-
reichten die Werke, deren Schöpfer genannt wird, mit

12,1 fl. einen deutlich höheren Durchschnittswert.
Von den insgesamt 217 in unserer Stichprobe enthal-
tenen Tronien ohne Zuschreibung wurden 71,9 % auf
3 fl. oder weniger geschätzt und mehr als die Hälfte
(55,8%) kosteten lediglich bis zu 1,5 fl. Im Vergleich
dazu waren nur für 25,6% der zugeschriebenen Werke
3 fl. oder weniger angesetzt und allein eines der ge-
zählten Bilder lag mit 1,25 fl. im Bereich von 0,1-1,5
fl. Allerdings wurde selbst für die zugeschriebenen
Tronien bei mehr als der Hälfte (56,4%) nur ein Wert
bis zu 6 fl. angegeben. Wie wir noch sehen werden,
ist dieser Preis für ein Gemälde im 17. Jahrhundert als
vergleichsweise niedrig einzuschätzen.
Bedenkt man, dass der Tageslohn eines hollän-
dischen Facharbeiters, etwa eines Zimmermanns, um
die Jahrhundertmitte etwa einen Gulden betrug,37
so wird deutlich, dass Tronien auch für die weniger
wohlhabende bürgerliche Mittelschicht erschwinglich
waren. Um allerdings eine Aussage darüber treffen zu
können, ob ihre Preise als für em Kunstwerk hoch oder
niedrig beurteilt wurden, ist der Vergleich mit den Prei-
sen von Werken mit einem anderen Sujet notwendig.
Da mit orts- und zeitabhängigen Preisschwankungen
zu rechnen ist, bietet es sich an, die Taxierungen der
Bilder innerhalb eines einzigen ausgewählten Inventars
miteinander zu vergleichen. Zu diesem Zweck wurde
das Bestandsverzeichnis des Amsterdamer Kunsthänd-
lers Johannes de Renialme herangezogen, da dessen In-
halt mit 612 taxierten Bildern besonders umfangreich
ist (vgl. Tab. 3). Die Werke wurden ihrem jeweiligen
Sujet gemäß unterschiedlichen, im Wesentlichen der
Gattungseinteilung folgenden Gruppen zugeordnet,
wobei zwischen zugeschriebenen und anonymen Bil-
dern getrennt wurde. Anschließend wurde der Durch-
schnittswert der Taxierungen innerhalb der einzelnen
Werkgruppen errechnet.

34 Drei der relevanten Inventare, die zu dem von W. Fock zu-
sammengetragenen Material zählen, sind publiziert: Kat. Lei-
den 1976/77, Bijlage III, S. 17f. (Inv. Jan Jansz. Orlers, Lei-
den Dezember 1640); Lunsingh Scheurleer / Fock / Dissel
1986-1992, Bd. 4b (1989), Rapenburg 20, Bijlage II, S. 385f.
(Inv. Aernout Eelbrecht, Leiden 4.3.1684); ebd., Rapenburg 24,
Bijlage II, S. 494-503 (Inv. Isaack Gerard, Leiden 27.8.1697).
35 Bredius 1915-1922, Bd. 1, S. 85f. (Inv. Baertge Martens,
Amsterdam 25.2.1678); ebd., S. 112-119 (Inv. Jacob Mar-
rell, Utrecht 26.10.1649); ebd., S. 228—230 (Inv. Johannes de
Renialme, Amsterdam 25.4.1640); ders., Bd. 2, S. 610 (Inv.
Steffen Lindeman, Amsterdam 8.12.1692); ders., Bd. 3, S.
849-851 (Inv. Abraham Peronneau, Amsterdam 6.1.1692);
ebd., S. 987-991 (Inv. Michiel van Musscher u. Elsje Klanes,
Amsterdam 30.7.1699); ders., Bd. 4, S. 1249f. (Inv. der Witwe

von J. Meurs, Amsterdam 1678); ebd., S. 1251 (Inv. David
D’Orville, Amsterdam 1.9.1699); ebd., S. 1303f. (Inv. Diede-
rick Fleynck, Amsterdam 16.3.1679); ebd., S. 1306 (Inv. Jan
Zeeuw, Amsterdam 1690); ders., Bd. 6, S. 2074-2077 (Inv. Jo-
han van Haensbergen, Den Haag 31.3.1679).
36 Vgl. GPI 1994-2003, N-2275, Nr. 0033 (Inv. Reijncke Ger-
rits, Amsterdam 12.6.1647): »Een trony, van Rembrant, met
een ebben lijstf. 60:—:—«; GPI 1994-2003, N-2242, Nr. 0034
(Inv. Catarma Thijs, Amsterdam 15.4.1639): »2 tronien, van
Geldorp, t’samen f. 100:--:—«. Van Mander erwähnt in sei-
nem Schilder-boek »twee schoone tronien / van Christus, en
Maria« von Geldorp, die in Köln zu sehen seien, Mander /
Miedema 1994-1999, Bd. 1, S. 380 (fol. 280v, Z. 7). Vgl. Kat.
Leningrad 1989, Kat. Nr. 42, S. 92.
37 Loughman 1992/93, S. 53; Montias 2002a, S. 8.
 
Annotationen