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Holtzinger, Heinrich
Die altchristliche Architektur in systematischer Darstellung: Form, Einrichtung und Ausschmückung der altchristlichen Kirchen, Baptisterien und Sepulcralbauten — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.26242#0026
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Erstes Buch. Die altchnftlichen Kirchen.

und reichften Bafiliken; desgleichen S. Paolo fuori le nnira,
die fünffchiffige Bafilika über dem Grabe des Paulus an der Via
Oftienlis; ferner der ehemalige, von Prudentius befchriebene Bau
überder Ruheftätte des Hippolytus; die noch beftehende Doppel-
bafilika S. Lorenzo fuori le mura an der Via Tiburtina;
S. Agnese an der Via Nomentana; des Paulinus von Nola
Prachtbau über dem Grabe des h. Felix, die Bafilika der Petro-
nilla auf dem Areal der Domitillakatakomben, und viele andere.

Mit Unrecht wird bisweilen von einer „urchriftlichen Vorliebe“
für hohe Lage der Kirchen gefprochen. Eine folche läßt lieh weder
an den Monumenten noch aus der fchriftlichen Ueberlieferung erweifen.
Vor allem konnte die bedrängte Kirche der älteren Zeit eine derartige
Anforderung nicht Hellen.

Der Ausfpruch Tertullians (adv. Valentinian. 3) „nostrae columbae
dormis simplex, in editis semper et apertis et ad lucem“ enthält
keine Bauregel, fondern nur einen rhetorifchen Gegenfatz zwilchen
dem „Haufe der Taube“, d. h. des Geiftes, und der verborgenen
Höhle, in der die Schlange, das Sinnbild des Böfen, haust, von
der Tertullian unmittelbar vorher gefagt hat: „abscondat se serpens,
quantum potest, totamque prudentiam in latebrarum ambagibus tor-
queat, alte habitet, in caeca detrudatur, per anfractus seriem suam
evolvat, tortuose procedat, nec semel totus, lucifuga bestia.

§ 9. Die O ri en t irun g der Kirchen.

Bei völlig frei gelegenen, durch Nachbarbauten, Straßenzüge oder
Terrainverhältniffe nicht beeinträchtigten Kirchen hat man anfeheinend
früh Rücklicht darauf genommen, den Bau zu orientiren, d. h. mit
einer Schmalfeite nach Olten zu richten. Sind auch in der älteren
Zeit die Ausnahmen fall fo zahlreich wie die nach der Regel kon-
ftruirten Beifpiele, fo dürfen wir doch von einer gewiffen Vorliebe
und ftellenweife auch Vorfchrift in Theorie und Praxis reden. Da-
bei lief die chriltliche Sitte der antiken Tradition von der Orientirung
des Tempelbaues direkt zuwider. Nicht der Eingang wurde an die
Oitfeite verlegt, fondern der Zielpunkt des Innern, Altar und Priefter-
raum. Erft im beginnenden Mittelalter hat lieh diele Praxis völlig
confolidirt, aber l'chon die apoftolifchen Conftitutionen fprechen lie (in
der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts) als Vorfchrift aus (lib. II.
cap. 57): ό οίκος έστω επιμήκης, κατά άνατολάς τετραμμένος, έξ εκατέρων
των μερών έχων τά παοτοφορεΐα προς ανατολήν, δστις έοικε νηί.

In der überlieferten Fällung fcheint diefe Stelle (worauf mit
Recht K. Lange, Haus und Halle, S. 304 äufmerkfam macht) ungenau
 
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