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Hoppe, Stephan
Die funktionale und räumliche Struktur des frühen Schloßbaus in Mitteldeutschland: untersucht an Beispielen landesherrlicher Bauten der Zeit zwischen 1470 und 1570 — Köln: Abteilung Architekturgeschichte des Kunsthistorischen Instituts der Universität zu Köln, 1996

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.69717#0084
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Die Albrechtsburg in Meißen von 1471 - 1490

die vielleicht als Appartement geplant worden ist, für das nach Aufgabe der
Hofhaltungspläne kein oder anderer Bedarf bestand. Die entsprechenden
Räume sollten deshalb bei der Ausarbeitung von Theorien über spätgotische
Raumstrukturen nur mit Vorbehalt herangezogen werden.
c. Das Appartementsystem als funktionales und innenarchitektoni-
sches Grundschema der Albrechtsburg
Es sei an dieser Stelle nochmals nachdrücklich darauf hingewiesen, daß das
älteste heute greifbare Inventar der Albrechtsburg fast hundert Jahre nach ih-
rem Baubeginn entstanden ist. Zu diesem Zeitpunkt wurden die Räume des
Meißener Schlosses weder ihrer ursprünglichen Intention entsprechend noch
überhaupt vollständig genutzt. Aus den Raumbezeichnungen in den Inventa-
ren läßt sich deshalb nicht ohne weiteres auf die ursprünglich intendierten
Raumnutzungen schließen. Welche Wohnräume für welche Angehörigen des
wettinischen Hofes, hier sogar zweier Hofhaltungen, vorgesehen waren, kann
in der Regel nicht mehr festgestellt werden. Bei der Erarbeitung entsprechen-
der Hypothesen ist um so größere Vorsicht geboten, als über die Verteilung
der Mitglieder eines solchen Hofes auf einzelne Schloßräume um 1500 bis-
lang so gut wie nichts bekannt ist.
Bei der Auswertung der Inventare hat sich jedoch gezeigt, daß die Raumnut-
zungen der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch in enger Korrelation
zum erbauungszeitlichen Grundriß und den von Anfang an vorgesehenen
funktionalen Baudetails standen. Besonders signifikant ist die enge Bezie-
hung zwischen Heizungsarten und bestimmten Raumnutzungen, ein Phäno-
men, das bei den weiteren Untersuchungen noch deutlicher zu Tage treten
werden wird: Während Schlafräume niemals in einer ofenbeheizten Stube
eingerichtet worden sind, hat man bei der Einrichtung von Wohnräumen,
aber auch von Speiseräumen wie Hof- und Tafelstube auf das Vorhandensein
eines Ofens nie verzichtet. Die aus den jüngeren Raumbezeichnungen und
Möblierungen ablesbare funktionale Differenzierung in Vorräume, Wohnstu-
ben, Schlafkammem oder Hofstube war also bereits in der ursprünglichen
Architektur der Albrechtsburg mit ihren Ofenstellen und Kaminanlagen sys-
tematisch angelegt. Selbst ohne Hinzuziehung von zeitgenössischen Ver-
gleichsbauten kann kein Zweifel bestehen, daß das Meißener Kemschloß von
Anfang an fast vollständig von zweiräumigen Appartements eingenommen
wurde, bestehend aus ofenbeheiztem Wohnraum und oft nicht heizbarer, aber
stets mit Abort aus gestatteter nachgeordneter Schlafkammer. Diese Apparte-
ments gruppierten sich - fast turmgleich - um zwei unabhängige vertikale Er-
schließungsachsen aus Treppenturm und anschließendem Vorraum. Zwar
existierten in jedem Geschoß durchgängige Querverbindungen, diese Gänge
 
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