Das Wittenberger Schloß von 1489 - 1508
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Wittenberger Turmstuben das älteste zur Zeit belegbare Beispiel für die spä-
ter noch zunehmende Tendenz, herrschaftliche Rückzugsräume zusätzlich
zum eigentlichen Wohnappartement und weit ab vom Treiben des Hofes ein-
zurichten. In der Albrechtsburg gab es zu diesem Zweck die beiden kleinen
Schreibstuben oder estudes auf der Talseite der mutmaßlichen herrschaftli-
chen Appartements; in Wittenberg läßt sich diese Tendenz bereits in der auf-
fälligen Plazierung der herrschaftlichen Appartements in den Ecktürmen er-
kennen, führte aber zur Anlage noch abgelegenerer Räume. Eine anderes
Novum, auf das unten in einem weiteren Kontext noch näher einzugehen sein
wird, stellt der kleinere, obere Saal im Wittenberger Schloß dar. Auch wenn
seine konkrete Nutzung nicht bekannt ist, so stellt er doch eine ebenfalls von
den unteren Geschossen abgesonderte, verhältnismäßig große Raumfläche
zur Verfügung, die in auffälliger Weise später in vielen Schlössern des 16.
Jahrhunderts, wie in Dresden, Annaburg oder der Augustusburg Pendants be-
sessen hat.
Einige weitere Charakteristika der Wittenberger Architektur, wie die bewußt
differenzierte Befensterung oder die Positionierung einzelner Räume sollen
auch hier vorerst in der Behandlung zurückgestellt werden, da die diesbezüg-
lichen Beobachtungen erst im Kontext weiterer Bauten ihre umfassende Be-
deutung erhalten.
Die späteren Renaissanceschloßbauten der Region seit den 1530er Jahren
folgten nämlich noch lange in ihren Raumprogrammen und vielen architek-
tonischen Charakteristika der am Ende des 15. Jahrhunderts bereits hoch-
entwickelten Bautradition. Zunächst wurden in der Hauptsache neue Einzel-
formen im Sinne der Frührenaissance eingeführt, während sich
grundlegendere Prinzipien wie allgemeine Symmetrie oder neue Raumtypen
nur langsam und partiell durchsetzen konnten. Besonders instruktive und gut
rekonstruierbare Beispiele für die Anfangsphase der mitteldeutschen Re-
naissance sind die beiden aufwendigen Baumaßnahmen am Torgauer Resi-
denzschloß ab 1533 und ab 1543, die ältere gotische Bauten ergänzten bzw.
ersetzten.
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Wittenberger Turmstuben das älteste zur Zeit belegbare Beispiel für die spä-
ter noch zunehmende Tendenz, herrschaftliche Rückzugsräume zusätzlich
zum eigentlichen Wohnappartement und weit ab vom Treiben des Hofes ein-
zurichten. In der Albrechtsburg gab es zu diesem Zweck die beiden kleinen
Schreibstuben oder estudes auf der Talseite der mutmaßlichen herrschaftli-
chen Appartements; in Wittenberg läßt sich diese Tendenz bereits in der auf-
fälligen Plazierung der herrschaftlichen Appartements in den Ecktürmen er-
kennen, führte aber zur Anlage noch abgelegenerer Räume. Eine anderes
Novum, auf das unten in einem weiteren Kontext noch näher einzugehen sein
wird, stellt der kleinere, obere Saal im Wittenberger Schloß dar. Auch wenn
seine konkrete Nutzung nicht bekannt ist, so stellt er doch eine ebenfalls von
den unteren Geschossen abgesonderte, verhältnismäßig große Raumfläche
zur Verfügung, die in auffälliger Weise später in vielen Schlössern des 16.
Jahrhunderts, wie in Dresden, Annaburg oder der Augustusburg Pendants be-
sessen hat.
Einige weitere Charakteristika der Wittenberger Architektur, wie die bewußt
differenzierte Befensterung oder die Positionierung einzelner Räume sollen
auch hier vorerst in der Behandlung zurückgestellt werden, da die diesbezüg-
lichen Beobachtungen erst im Kontext weiterer Bauten ihre umfassende Be-
deutung erhalten.
Die späteren Renaissanceschloßbauten der Region seit den 1530er Jahren
folgten nämlich noch lange in ihren Raumprogrammen und vielen architek-
tonischen Charakteristika der am Ende des 15. Jahrhunderts bereits hoch-
entwickelten Bautradition. Zunächst wurden in der Hauptsache neue Einzel-
formen im Sinne der Frührenaissance eingeführt, während sich
grundlegendere Prinzipien wie allgemeine Symmetrie oder neue Raumtypen
nur langsam und partiell durchsetzen konnten. Besonders instruktive und gut
rekonstruierbare Beispiele für die Anfangsphase der mitteldeutschen Re-
naissance sind die beiden aufwendigen Baumaßnahmen am Torgauer Resi-
denzschloß ab 1533 und ab 1543, die ältere gotische Bauten ergänzten bzw.
ersetzten.