der hinten angehefteten Fig. XII.) auch selbst über Eck betrachtet, nicht über den Körper der
Säule hinaustreten — wurde dadurch veranlasst, dass ich damals noch zu unbedingt den
gothischen Styl als eine erschöpfende Ausbildung des byzantinischen oder Rundbogen -Styls
ansah. Mein jetziges Gefühl findet es gerade piquant, wenn der Bogen, über Eck gesehen, um
etwas über den Säulenstamm hinaustritt, wie etwa bei Fig. XIII. am Ende des Textes. Und
bei Stichbogen ziehe ich es sogar vor, wenn der Bogen ganz kantig bleibt, wie das Innere
der Kirche zu Epfenbach zeigt. — Ferner wollte ich (in demselben Paragraphen) den Säulen-
schaft gar nicht verjüngt sehen, während dem ich bei meinen neuesten Gebäuden dem
Säulenschaft eine (jedoch nur ganz unbedeutende) Verjüngung gebe, damit er dem nun
einmal an die starke Verjüngung gewohnten Auge nicht oben dicker, als unten, erscheine. —
Endlich bin ich jetzt nicht mehr der im §. 17 ausgesprochenen Ansicht — dass der Thurm-
Character unbedingt besser an den gothischen Kirchen aufgefasstsey, als an den byzantinischen:
denn die an ersteren gar so sehr in's Lange gezogenen Thurm-Stockwerke haben bei einfacher
Behandlung etwas Kahles; und die allzulangen Thurmfenster, welche doch nur Schall-Öffnungen
seyn sollen, schaden offenbar den eigentlichen Kirchenfenstern.
Ueberhaupt sind mir seit der grösseren Ausdehnung meines künstlerischen Wirkens die
Mängel der gothischen Architectur immer mehr in's ßewusstseyn getreten, und ich erlaube mir,
da neuerdings so viele ganz conventioneile Nachahmungen dieses Styls Statt finden, meine
Ansichten hier offen auszusprechen.
Ich gebe von vorn herein zu, wie sich in der gothischen Architectur die Technik bis zu
einer schwindelnden Höhe ausbildete, und wie die dem antiken Princip entgegengesetzte kühne
Natur des Gewölb-Styls in manchen Beziehungen einer mehr organischen schönen Aus-
bildung entgegengeführt wurde. Aber bei Allem dem bin ich der Ueberzeugung geworden,
dass durch die gothische Architectur die byzantinische auf eine Weise umgestaltet wurde,
welche Letzterer zum Theil das Malerische und Piquante raubte. Und zwar habe ich dabei die
besten Monumente ihrer Art — als den Cölner Dom u. dgl. — im Auge, was ich aber gleich-
falls auch für die byzantinischen Monumente in Anspruch nehme, weil nur die bessern hier
massgebend seyn können: denn wenn auch, oberflächlich betrachtet, alle Monumente den
Stempel ihrer Zeit tragen, so herrscht doch in Bezug auf ihren Kunstwerth ein grosser
Unterschied.
Die gothischen Monumente sind fast mehr Kunst-Stücke als Kunst- Werke. Man gefiel
sich nicht sowohl hauptsächlich in der künstlerischen Anordnung des Ganzen, als man sich
in den Eiuzelnheiten zersplitterte, um an einem Bau möglichst viele uüd schwierige Meister-
stücke der Steinmetzenkunst anzubringen. Welche Menge von Verkröpfungen und Winkeleien!
Säule hinaustreten — wurde dadurch veranlasst, dass ich damals noch zu unbedingt den
gothischen Styl als eine erschöpfende Ausbildung des byzantinischen oder Rundbogen -Styls
ansah. Mein jetziges Gefühl findet es gerade piquant, wenn der Bogen, über Eck gesehen, um
etwas über den Säulenstamm hinaustritt, wie etwa bei Fig. XIII. am Ende des Textes. Und
bei Stichbogen ziehe ich es sogar vor, wenn der Bogen ganz kantig bleibt, wie das Innere
der Kirche zu Epfenbach zeigt. — Ferner wollte ich (in demselben Paragraphen) den Säulen-
schaft gar nicht verjüngt sehen, während dem ich bei meinen neuesten Gebäuden dem
Säulenschaft eine (jedoch nur ganz unbedeutende) Verjüngung gebe, damit er dem nun
einmal an die starke Verjüngung gewohnten Auge nicht oben dicker, als unten, erscheine. —
Endlich bin ich jetzt nicht mehr der im §. 17 ausgesprochenen Ansicht — dass der Thurm-
Character unbedingt besser an den gothischen Kirchen aufgefasstsey, als an den byzantinischen:
denn die an ersteren gar so sehr in's Lange gezogenen Thurm-Stockwerke haben bei einfacher
Behandlung etwas Kahles; und die allzulangen Thurmfenster, welche doch nur Schall-Öffnungen
seyn sollen, schaden offenbar den eigentlichen Kirchenfenstern.
Ueberhaupt sind mir seit der grösseren Ausdehnung meines künstlerischen Wirkens die
Mängel der gothischen Architectur immer mehr in's ßewusstseyn getreten, und ich erlaube mir,
da neuerdings so viele ganz conventioneile Nachahmungen dieses Styls Statt finden, meine
Ansichten hier offen auszusprechen.
Ich gebe von vorn herein zu, wie sich in der gothischen Architectur die Technik bis zu
einer schwindelnden Höhe ausbildete, und wie die dem antiken Princip entgegengesetzte kühne
Natur des Gewölb-Styls in manchen Beziehungen einer mehr organischen schönen Aus-
bildung entgegengeführt wurde. Aber bei Allem dem bin ich der Ueberzeugung geworden,
dass durch die gothische Architectur die byzantinische auf eine Weise umgestaltet wurde,
welche Letzterer zum Theil das Malerische und Piquante raubte. Und zwar habe ich dabei die
besten Monumente ihrer Art — als den Cölner Dom u. dgl. — im Auge, was ich aber gleich-
falls auch für die byzantinischen Monumente in Anspruch nehme, weil nur die bessern hier
massgebend seyn können: denn wenn auch, oberflächlich betrachtet, alle Monumente den
Stempel ihrer Zeit tragen, so herrscht doch in Bezug auf ihren Kunstwerth ein grosser
Unterschied.
Die gothischen Monumente sind fast mehr Kunst-Stücke als Kunst- Werke. Man gefiel
sich nicht sowohl hauptsächlich in der künstlerischen Anordnung des Ganzen, als man sich
in den Eiuzelnheiten zersplitterte, um an einem Bau möglichst viele uüd schwierige Meister-
stücke der Steinmetzenkunst anzubringen. Welche Menge von Verkröpfungen und Winkeleien!