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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 51.1903

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Heft 4
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https://doi.org/10.11588/diglit.55112#0094
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85

mannigfaltige Familie der Palmen, die in den schönsten
Exemplaren das Auge erfreut; aber auch die Gummi-
akazie und der Mannastrauch gedeihen in diesen Wüsten-
oasen vortrefflich, und kletternde Schlinggewächse weben
in reizvollen Linien ihre luftigen Gewinde von Stamm
zu Stamm. Sehnige Beduiueugestalten in schneeweißem
Burnus und bronzefarbige Fellachenfrauen m vielleicht
schmutzigen, aber immer malerischen Gewändern bilden
in der Wirklichkeit wie auf unserem Bilde die effekt-
volle menschliche Staffage des farbenprangenden Land-
schaftsgcmäldes.

Der Ml6cnnm bei Mluan.
Eleke <I<ir kilcl liul 5slts S-.)
L7in großartiges Kulturwcrk der Engländer in Ägypten
schreitet seiner Vollendung entgegen. Es ist die
riesenhafte Stauanlage, die bei Assuan und Assiut am
ersten Nilkatarakt die Gewässer der Stilschwelle in einem
großen Sammelbecken zurückhaltcn soll, damit sie wäh-
rend der trockenen Jahreszeit für die Bewässerung des
Landes dienen können, anstatt, wie bisher, zum großen
Teile ungenützt dem Meere zuzuströmen. Im Frühjahr
1898 wurde zwischen der ägyptischen Negierung und der
englischen Unternehmung der Vertrag abgeschlossen, und
die Bauzeit auf 5 Jahre festgesetzt. Das Riesenwerk ist
trotz des südafrikanischen Krieges eifrig gefördert wor-
den und wird nach seiner Fertigstellung den Wert und
die Fruchtbarkeit des bebaubaren Landes im Niltale um
ein Bedeutendes steigern. Das Sammelbecken bei Assuan
wird durch einen mächtigen Damm gebildet, der als
Talsperre nusgeführt ist und im Verein mit dem Ab-
schlußbau in Assiut die Wasser des Nils aufstaut. Da-
durch soll der Wasserstand des Stromes aus »06 Meter
über MeereShöhe gehoben werden, so daß er den jetzigen
niedrigsten Wasserstand um 20 Meter überragen würde.
Der Abschlußbau wird aus Granit hergestellt und eine
solche Länge erhalten, daß er von der westlichen libyschen
Gebirgskette bis zur östlichen arabischen Gebirgskette
reicht. An der Krone hat der Damm eine Breite von
ungefähr 8 Meter, an seinem Fuße in der größten Tiefe
eine solche von 28 Meter. Die Höhe beträgt rund
28 Meter. 180 Schleusen sind in Viesen Damm ein-
gelassen, die, mit Eisentüren geschlossen, dazu dienen,
um je nach Bedarf die Bewässerung von Ober- und Unter
ägypten regulieren zu können. Auch ein Schiffahrts-
kanal ist am Nordende des Dammes von Assuan an-
gebracht, dessen Schleusen zu jeder Zeit und bei jeden»
Wasserstande den Schiffen ungehinderten Durchgang
vom oberen zum unteren Nil gestatten. Zur Ergänzung
des großen Sammelbeckens bei Assuan dient das ge-
waltige Stauwehr bei Assiut, das große Ähnlichkeit mit
dem alten an der südlichsten Spitze des Nildeltas von
Mehemed Ali errichteten Stauwehr, der sogenannten
Barrage, hat, die in Form einer Brücke, deren Öffnungen
nach Bedarf geschlossen werden können, den Nil über-
spannt.

Vor einem ^anrlokal im wiener prcilsr.
«los KM au! 5slts 87.)
p>er Prater ist der große Lustpark, in dein man das
Leben und Treiben der Wiener am besten beobachten
kann. Er ist der Vergnügungsplah, die Promenade und
der Ort des Stelldicheins für alle Klassen der Bevöl-
kerung. Während in der Hauptallee sich die elegante
Welt zeigt und Korso fährt, in und um die Kaffeehäuser
und Restaurants Nachmittags beim Militärkonzert die
besser situierten Stände sich versammeln, bildet der vordere
Teil des Praters, der sogenannte Wurstelprater, mit seinen
Tanzlokalcn, Damenkapellen, Schaubuden, Bier- und
Weinschenken, Volkssängeru, Marionetten u. s. »v. den
eigentlichen Tummelplatz der breiten Volksmassen. Da
geht es besonders an Sonn- und Feiertagen hoch her,
und der Urwiener findet alles, was sein Herz begehrt,
um sich für die sechs arbeitsamen Wochentage zu ent-
schädigen, und wenn möglich durch eine „Hetz" seinen phili-
strösen Änwandlungen, die ihn» bei der Not der Zeit
iin Alltagsgetriebe doch kommen, entgegenzuarbeiten
und sein Gemüt wieder aufzufrischen. Eine der Haupt-
vergnügungen, ohne die es durchaus in Wien nicht geht,
ist der Tanz. Musik und Tanz ist das Leben des leicht
blütigcn Wiener Volkes, und die Tanzlokale des Praters
sind Stätten von nie versagender Anziehungskrast für
die feschen Wäschermädel, Putzmacherinnen, Köchinnen
u. s. w. und ihre „Kavaliere" von» Zivil und Militär.
Vor den Tanzlokalen harren die Schönen, darunter viele
aus Böhmen und dem Ungarland, und schauen sich ver-
langenden Blickes nach einein „Kavalier" um, der sie
ins Tanzparadies führt, wo bereits andere, glücklichere
in» Schweiß ihres Angesichts schwelgen und sich nach
den elektrisierenden Weisen eines beliebten Walzers un-
ermüdlich drehen. Jede findet einen, vielleicht sogar,
falls sie eine gut gefüllte Börse Kat, einen kühnen Krieger
von den Deutschmeistern oder den Dragonern, denn in
diesen Lokalen ist es die „Dame", die ihren „Kavalier"
freihält. Und dann fliegen die Schönen zum Tanze, dein
mit höchster Begeisterung und nie erlahmender Ausdauer
gehuldigt wird nach dem bekannten Motto:
's Drah'n, dös is niet' Leb'»».
Kann's denn was Schön'res geb'n,
Als drah'n die ganze Nacht,
Bis aan' die Sunn' anlacht?

koman von M. Srcikin v. Lünnu.

»korlletzung)

zu.

Lachen, da-
Worte von

,,rn»a.
die Kissen.

besten allein."
Schloß. „Die
ich mich. Ich

8ectutes Kapitel.
Das ganze Städtchen nahm daran
das Hnsarenregiment seinen Kasinoball

Ihnen doch keine Männer schaffen,
mehr haben!"
„Tn — die zwei lassen wir am
Enkevort zog die Tür wieder ins
sind kurz vorn» Hauen. Da drück'

teil, wenn
gab. Ter
weiter"entfernt wohnenbe Landadel mußte sein Nacht-
quartier in dem nicht gerade sehr eleganten Hotel
„Deutsches Haus" nehmen. Schon wochenlang vor-
her ließ man sich die Zimmer reservieren. Sämtliche
Lohndicncr und Kochfraucn der Stadt waren in
vollster Tätigkeit, nm den Ordonnanzen bei der
Bedienung und der geplagten Kasinoköchin beim
Anrichten zu helfen.
Solch Fest, bei dem gewiß zweihundert Personen
zusammenkamcn — das wollte gemacht sein!
Seit acht Tagen wurde im Kasino gefegt und
geputzt. Die jungen Leutnants schimpften; sie wagten
kaum mehr nach dem Dienst mit ihren bespritzten
Stiefeln das glänzend gebahnte Parkett zu betreten.

Tür näherten sich leichte Schritte. Sie
I versteckte schnell das soeben ergriffene Fläsch-
4, chcn mit Morphium und richtete sich auf.
HM Die Jungfer ging mit hochgehaltener
Lampe hinter Ilse her, die, hell vom Licht nmflossen,
schön wie ein Märchcnbild an Irmas Bett schwebte
„Gefall' ich dir?"
Das weiße, duftige Kreppkleid fiel in weichen
Falten nm die graziöse Gestalt. Den leicht znrück-
geworfenen Kopf schmückte nnr die Krone goldig
flimmernder Flechten. Um den Hals schlang sich
eine Schnur anserwählt schöner Perlen — ein altes
Erbstück.
„Wenn deine Mutter dich so hätte sehen können,
Ilse!"
Ilse streifte ihre langen Handschuhe über. „Ich
glaube, heut abend wird es wunderschön werden!"
Ihr reizendes Gesicht trug den Ausdruck er-
wartungsvoller Seligkeit. Die kleinen Füße machten
unwillkürlich ein paar ungeduldige Tanzschritte.
„Der Wagen ist bereits vorgefahren," erinnerte
die Jungfer.
„Ah — heut in Uniform?" Ilse machte große
Augen, als Kurt in der knappen, glänzenden Ulanka
seines alten Regiments an Irmas Bett trat.
„Warum nicht? Zn einem so überwiegend
militärischen Fest paßt die Uniform besser."
„Und steht dir außerdem vorzüglich," scherzte
Ilse. Sie nahm ihr Spitzentnch, das ihr die Jungfer
hinhielt, und warf es leicht über ihr blondes Haar.
„Gute Nacht, süße Irma."
„Du kommst noch zu mir und erzählst niir, Ilse."
Innas heiße, trockene Hand legte sich bittend auf
den kühlen Arm der Schwester.
„Wenn ich dich nur nicht störe!"
„Ach, ich schlafe ja doch nicht!"
Irmas Augen ruhten lange auf den beiden schönen,
lebensfrohen Gestalten an ihrem Bett, dem hoch-
gewachsenen, eleganten Offizier mit dein fein-
geschnittenen dunklen Gesicht, den sprühenden, braunen
Augen, der sich zu dem holdseligen blonden Geschöpf
herabbengte . . . Ihr Mann und ihre Schwester!
Ein schluchzender Seufzer rang sich aus ihrer
Brust.
„Fehlt dir etwas?" fragte Kurt.
Ilse war schon ihm voraus zur Tür geeilt.
„Mir ist so kalt," antwortete Irma leise.
„Kalt? Freilich, das Feuer ist ja ausgegangen!"
Er nahm die eiserne Zange und rührte in den Kohlen
herum.
„Gib dir keine Mühe. Es ist alles Asche," sagte
Irma tonlos. „Geh, laß Ilse nicht warten."
Der eiserne Haken fiel klirrend ans den Kaniin-
vorsetzer. Kurt ging rasch hinter dem jungen Mäd-
chen her, zur Tür hinaus. Er sah sich nicht einmal
mehr um.
Von unten herauf töute ein leichtes
zwischen ein paar halb unverständliche
Kurts tiefer Stimme gesprochen.
„Fertig."
Ter Diener schlug den Wagcnschlag
Wie deutlich man alles hören konnte!
Tie Räder rasselten über den gepflasterten Hof.
Langsam in der Ferne verklang das Rollen des
Wagens.
Ein Windstoß fuhr durch dcu Schornstein. Tie
aufgestöberte Asche im Kamin wirbelte auf, graue
Flocken stäubten auf den Teppich.
„Asche, nichts wie Asche!" wiederholte
Sie drückte stöhnend den Kopf tief in

Mackeruck verdaten.)
Schöner sah's jetzt freilich aus im Saal. Hell
geputzte Fenster, abgeftänbte Bilder und Geweihe —
an den Wänden große Guirlanden von Tannengrün
und Eichenlaub. Aber ein bißchen ungemütlich
blieb ihnen die ungewohnte allzu große Sauberkeit
dennoch. Der Kasinovorstand räsonnierte jetzt über
jede Schramme ans den Dielen, jeden kleinen Fett-
fleck! Das dauerte gottlob nnr bis das Fest glück-
lich vorüber war! Dann kehrte der alte gemütliche
Schlendrian nach einem Weilchen zurück, legte all-
mählich eine leise graue Staubschicht über die Bilder
und Möbel. Die Jagdhunde durften wieder ungeniert
ans den Teppichen und Sofas liegen, und das Parkett
befand sich ungewachst und ungebahnt in seiner alt-
bewährten Verfassung — bis iin nächsten Jahr der
neue Kasinoball wieder das Unterste zu oberst kehrte!
Die Offiziere mußten heute auswärts speisen —
entweder im „Deutschen Hause", wo sie schon viele
von den Landfamilien antrafen und gleich die jungen
Mädchen zum Abend engagieren konnten, oder sie
sagten sich bei einem verheirateten Kameraden zum
Mittagessen an.
Den jungen Leutnants machte die Abwechslung
Spaß. Einige alte Junggesellen räsonierten natür-
lich, daß man durch das alberne Fest ganz aus
seiner Ordnung und nm den gewohnten Skat kau».
„Ihr werdet nicht gleich sterben, wenn ihr euren
Skat heut einmal nicht drescht," meinte Rittmeister
v. Enkevort, der zwar auch Junggeselle, aber dafür
noch ein flotter Tänzer war. „Die Leutnants wollen
ihr Vergnügen haben." Er klopfte einen» stramm
stehenden Junker freundlich auf die Schulter. „Na,
Sichersdorf, wie viele Herzen »vollen Sic denn heute
abend brechen? Der Schnurrbart ist unheimlich ge-
wachsen in letzter Zeit."
Der blutjunge Fähnrich grinste sein: „Zu Befehl,
Herr Rittmeister," und zupfte stolz an dem weißlich
schimmernden Flaum der Oberlippe.
„Für die Leutnants ist der Ball ja gar nicht,"
knurrte Major v. Berger, ein eingefleischter Damen-
feind, „aber die Weiber, die stecken dahinter; die
lasse»» ihren Männern keine Ruhe — ob sie Töchter
haben oder nicht, ist ganz egal — getanzt muß werden.
Tie Fran von» Oberst ist die tollste, die »nacht jeden
Unfug mit."
„Eine scharmante Frau. Auf die lassen wir nichts
kommen!"
„Die tanzt bloß so gern, weil sic magerer werden
will."
„Pfui, Berger, nicht rüde!"
„Als »venu wir das nicht ebenso machten beim
Tennis! Tie Damen denken auch, »vir kommen
ihretwegen, und schließlich wollen wir uns eigentlich
nnr trainieren."
„Das ist ganz was anderes."
„Ich bitte die Herren, jetzt hinanszugehen " Ter
Tifchdirektor, Leutnant v. Raven, schoß aufgeregt
herein. „Hier muß durchaus jetzt gelüftet werden."
„Herr des Himmels — es ist ja schon zum Tot-
frieren!*
„Gemütliches Lokal, unser Kasino! Dürfen wir
vielleicht ein bißchen Billard spielen?"
„Billard — jetzt? Warum nicht gar! Auf den»
Billard sollen die Boivle und die süßen, kalten
Speisen stehen — da werden jetzt Gläfcr und Teller
ausgestellt."
„Gut, dann gehen wir ins Rauchzimmer."
Aber da gab's auch keinen nngestörten Frieden.
Ortzin und Rcitzenstein tüftelten mit rote»» Köpfen
noch ai» der Tischordnnng. Einige unerwartete Ab-
sagen hatten alles über den Haufen geworfen.
„Immer die hübschesten Mädchen sagen im letzte»»
Moment ab," schalt Reitzenstein. „Ob wohl solche
alte Maina einmal den Schnupfen kriegt? I Gott
bewahre ... immer seelensvergnügt, gesund und
fett — nimmt Platz für zwei, ißt für drei, steht be-
ständig in der Tür „znin Zusehen" und schreit über
jedes offene Fenster. — Ortzin! Ta hast du ja
zwei alte Mütter zusammengesetzt! Bist du dem»
ganz von Gott verlassen?"
„Dann mach dir deine Tischordnung allein."
Ortzin warf den Bogen Papier hin. „Seit zwei
Stunden doktere ich au dem verwünschten Ting!
Wenn ich doch zehn Mütter zu viel habe! Ich kann
wenn sie keine
 
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