•Anal« und »Sexual-
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Kinder desselben Hauses sammeln sie sich um das gemeinsame
Fest und tragen dessen Rausch bis in die fernsten und obersten
Ihbezirke. Sie beseelen einerseits das Sexualerlebnis dadurch, daß
sie so langen Anschluß hatten an außersexuale, individualisierte
Einzelbetätigungen, und daß noch jede Zärtlichkeit von Hand oder
Mund oder Blick davon mitgeprägt ist. Aber anderseits wird in
ihnen ja die Kindheit des geschlechtlichen Erlebens selber lebendig,
dem sich ehemals noch an jedem Punkt das Ganze vollzog, das
noch nicht zurüdegedrängt war aus den spezialisierten Organen
in sein Sondergebiet/ dies verleiht den peripheren Liebkosungen
noch mitten im reifen Liebesvollzug ihre eigentümlichen Erinnerungs-
gewalten, als entstiege unbegreiflich Holdes der Vorläufigkeit ihrer
Gegenwart. Zugleich infantil-primitiver geblieben und auch durch-
geisteter, — hinter dem Sexualziel zurückgeblieben, und doch noch
darüber hinausweisend als Ausdrucksmittel individuellerer Ver-
bundenheit, umzeichnen sie in sich etwas wie ein verkleinertes Abbild
des vollständigen Liebesverlaufs. Denn diesem zugehörig ist ja nicht
nur, daß das bisherige Partialgetriebe durch die genitale Zentralisie-
rung abgelöst wurde, sondern daß sie immer wieder darauf über-
greift und dadurch sich des Ichinteresses mitbemächtigt. Man erwähnt
solche seelisch anmutenderen Liebeszutaten ungenau manchmal als
»Sublimierungen«: aber einer gar zu »unsublimierten« Libido fehlt
es weniger an Sublimation als an Libido, so sehr drückt sie in
ihnen doch nur ihr Wesen der Gesamtergriffenheit aus. Dadurch
gerade unterscheidet sich das geschlechtliche Erleben von den Be-
dürfniserledigungen unserer spezialisierten Einzelorgane <etwa der
vom Selbsterhaltungstrieb in Beschlag genommenen Ernährungs-
organe), an denen ein Allgemeinrausch sofort als krankhaft ver-
dächtig, — und zwar als der Verschränkung mit dem Sexualtrieb
verdächtig, — werden müßte. Wo hingegen der Sexualtrieb seinerseits
ein Zuwenig hievon merken läßt, sich auf eine sehr spezielle
Sondererregung beschränkt, die Person des Partners persönlich kaum
mitmeint, da wiederholt er im Grunde nur ein Analogon zum analen
Vorgang. Insofern die geschlechtliche Vermählung wiedereinsetzt
beim Einfachsten und Anfänglichsten, dem Zusammenschluß von
Ei und Samen, und hinter diesem Geschehnis sich persönlich un-
durchsichtig vollzieht, sagt sie darüber Deutliches nur gleichnisweise
aus oder durch das Drum und Dran der Partialbetätigungen um
sie. Fehlt es, dann kann man mit ähnlichem Recht von einer rück-
ständigen, bruchstückhaften Sexualerledigung reden wie beim Neu-
rotiker, bei dem ihr Ablauf irgendwo in seiner Einheitlichkeit
zerspaltet ist. Erscheint es auch in solchem dürftigen Normalfall
nicht krankhaft, weil es der Oberfläche des praktischen Lebens ohne
Störung eingeordnet bleibt, so bedeutet es doch Verzichte auf das
natürliche Vollglück, die einer Verkrüppelung gleichkommen.
Interessant ist es nun, und erst dies erhebt die Tatsache zum
eigentlichen Problem, daß keineswegs die stumpfsten, alltäglichsten
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Kinder desselben Hauses sammeln sie sich um das gemeinsame
Fest und tragen dessen Rausch bis in die fernsten und obersten
Ihbezirke. Sie beseelen einerseits das Sexualerlebnis dadurch, daß
sie so langen Anschluß hatten an außersexuale, individualisierte
Einzelbetätigungen, und daß noch jede Zärtlichkeit von Hand oder
Mund oder Blick davon mitgeprägt ist. Aber anderseits wird in
ihnen ja die Kindheit des geschlechtlichen Erlebens selber lebendig,
dem sich ehemals noch an jedem Punkt das Ganze vollzog, das
noch nicht zurüdegedrängt war aus den spezialisierten Organen
in sein Sondergebiet/ dies verleiht den peripheren Liebkosungen
noch mitten im reifen Liebesvollzug ihre eigentümlichen Erinnerungs-
gewalten, als entstiege unbegreiflich Holdes der Vorläufigkeit ihrer
Gegenwart. Zugleich infantil-primitiver geblieben und auch durch-
geisteter, — hinter dem Sexualziel zurückgeblieben, und doch noch
darüber hinausweisend als Ausdrucksmittel individuellerer Ver-
bundenheit, umzeichnen sie in sich etwas wie ein verkleinertes Abbild
des vollständigen Liebesverlaufs. Denn diesem zugehörig ist ja nicht
nur, daß das bisherige Partialgetriebe durch die genitale Zentralisie-
rung abgelöst wurde, sondern daß sie immer wieder darauf über-
greift und dadurch sich des Ichinteresses mitbemächtigt. Man erwähnt
solche seelisch anmutenderen Liebeszutaten ungenau manchmal als
»Sublimierungen«: aber einer gar zu »unsublimierten« Libido fehlt
es weniger an Sublimation als an Libido, so sehr drückt sie in
ihnen doch nur ihr Wesen der Gesamtergriffenheit aus. Dadurch
gerade unterscheidet sich das geschlechtliche Erleben von den Be-
dürfniserledigungen unserer spezialisierten Einzelorgane <etwa der
vom Selbsterhaltungstrieb in Beschlag genommenen Ernährungs-
organe), an denen ein Allgemeinrausch sofort als krankhaft ver-
dächtig, — und zwar als der Verschränkung mit dem Sexualtrieb
verdächtig, — werden müßte. Wo hingegen der Sexualtrieb seinerseits
ein Zuwenig hievon merken läßt, sich auf eine sehr spezielle
Sondererregung beschränkt, die Person des Partners persönlich kaum
mitmeint, da wiederholt er im Grunde nur ein Analogon zum analen
Vorgang. Insofern die geschlechtliche Vermählung wiedereinsetzt
beim Einfachsten und Anfänglichsten, dem Zusammenschluß von
Ei und Samen, und hinter diesem Geschehnis sich persönlich un-
durchsichtig vollzieht, sagt sie darüber Deutliches nur gleichnisweise
aus oder durch das Drum und Dran der Partialbetätigungen um
sie. Fehlt es, dann kann man mit ähnlichem Recht von einer rück-
ständigen, bruchstückhaften Sexualerledigung reden wie beim Neu-
rotiker, bei dem ihr Ablauf irgendwo in seiner Einheitlichkeit
zerspaltet ist. Erscheint es auch in solchem dürftigen Normalfall
nicht krankhaft, weil es der Oberfläche des praktischen Lebens ohne
Störung eingeordnet bleibt, so bedeutet es doch Verzichte auf das
natürliche Vollglück, die einer Verkrüppelung gleichkommen.
Interessant ist es nun, und erst dies erhebt die Tatsache zum
eigentlichen Problem, daß keineswegs die stumpfsten, alltäglichsten