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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

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VIII. 1
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Kinkel, Johann: Zur Frage der psychologischen Grundlagen und des Ursprungs der Religion, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.28550#0036

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26

Dr. Johann Kinke!

war es, die uns die Erscheinung des Infantilismus in der
mensAliAen Psydie vielseitig dargestellt und erläutert hat. DurA
diese Lehre wissen wir, welches die besonderen Züge sind, die
die infantile (kindliche) Seele des Menschen in verschiedenen Lebens-
altern diarakterisieren und wie ganz besonders die pathologische
Fortsetzung dieser Züge in den Tiefen des Seelenlebens auch bei
dem erwachsenen Menschen starke Konflikte in seinem Leben be-
gründet und fördert, die ihrerseits zur Ursache und Triebfeder für
sexuelle Perversitäten, moralische Fehler und Abirrungen, für Ver^
brechen, eventuell besondere Charaktereigenschaften, und im äußere
sten Fall für Neurosen und Irrsinn werden.
Wird man nun parallel auch von dem Infantilismus in der
SozialpsyAologie reden dürfen? Gibt es ebenfalls speziksAe Züge,
die die Psyche der Gesellschaft, der Völker, der Menschheit in der
infantilen Periode ihrer geistigen Entwicklung Aarakterisieren? Und
ferner: entspreAen denn solAe Züge in ihrem Wesen denjenigen
typisAen Zügen, die wir bei dem Kinde in versAiedenen Perioden
seiner geistigen EntwiAlung antreffen? — Die Aufgabe der folgen^
den Ausführungen wird es sein, eben diese Fragen bejahend zu
beantworten.
Die ForsAer der kindliAen PsyAologie in der ersten Periode
der Bildung und der Entwicklung des Verstandes, respektive des
bewußten Verhaltens zur äußeren Welt beim Kinde (vom dritten
bis zum aAten Lebensjahr durAsAnittliA) Aarakterisieren dieselbe
mit dem StiAwort Symbolismus. In den Vorstellungen betreffend
die Außenwelt, die NaturersAeinungen und .kräfte, die mensA-
liAen Beziehungen, welAe das Kind zu begreifen vermag, bedient
es siA symbolisAer Gestalten und Bilder, die aus seinem Leben
und seiner Umgebung entnommen sind. Somit lauten z. B. die
astronomisAen Vorstellungen des Kindes oft, daß die Sonne —
der Vater, der Mond — die Mutter und die Sterne ihre Kinder
seien. Der Blitz ist das Feuer, welAes der liebe alte Gott sAlägt,
um seine Pfeife anzuzünden, und der Donner ist eben das Anstoßen
zweier gewaltigen Steine, die Gott ansAlägt, um das Feuer zu ge-
winnen. In den KindermärAen über die Tierwelt, die von Kindern
selbst oder auA von BrwaAsenen in Anpassung an die Kinder*?
psyAologie ersonnen sind, findet man wieder den typisAen infan^
tilen Symbolismus, wobei die Tiere und Naturkräfte Symbole der
kindliAen Vorstellungen, Ideale, Sympathien und Abneigungen dar-
 
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