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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

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VIII. 1
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Kinkel, Johann: Zur Frage der psychologischen Grundlagen und des Ursprungs der Religion, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.28550#0055

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Zur Frage der psychologischen Grundlagen und des Ursprungs der Reiigion 45

Lehre, respektive in ihren ersten Literaturerzeugnissen, den vier
Evangelien, den Aposteihriefen und den Werken der ersten Kirchen^
väter, wie in einem Spiegel die religiösen und sozialen Gefühle,
der Glaube, die Stimmungen, Hoffnungen, Erwartungen und Be-
strehungen der römischen Sklaven-, Proletarier^ und Halbproletarier-
massen. Zutreffend verweist deshalb der vorzügliche deutsche
Historiker des antiken Sozialismus und Kommunismus Pöhlmann
darauf, daß ursprünglich das Christentum und seine Literatur einen
ebenso entwickelten sozialen als rein religiösen Inhalt einschlossen
und das dessen Soziallehren bestimmte und deutlich hervortretende
kommunistische Züge aufwiesen L
PsyAoanalytisA betraAtet, erklärt sich diese historische, heut-
zutage erschöpfend bewiesene Genese und Evolution der Aristo
liAen Religion damit, daß die eigentümliAen geistigen (sozialen)
Stimmungen der römisAen Volksmassen eine besonders günstige
Grundlage für die Entstehung und Weiterentwicklung der religiösen,
monotheistisAen PsyAologie bildeten, d. h. zur Projektion des in^
fantilen Vaterkomplexes auf die Welt- und sozialen Vorstellungen
und Ideale. Mit anderen Worten, der geistige FortsAritt von den
primitiveren, polytheistisA-symbolistisAen Vorstellungen und Glau-
ben zum Monotheismus und der auf ethisAen Grundlagen aufge-
bauten AristliAen Religion äußerte siA anfangs bei intensiv=leiden-
den (und deshalb auA intensiv denkenden und tief empfindenden)
SAiAten der GesellsAaft und später betraten diese höhere geistige
Stufe auA die übrigen SAiAten der KulturmensAneit. Einige Jahr^
hunderte darauf akzeptierten auA die barbarisAen Völker, die das
römisAe ReiA erobert hatten, offenbar unter dem geistig=kulturel!en
Einfluß der römisAen GesellsAaft das Christentum.
daß die christlichen Gemeinden in der ersten Zeit weder vermögende noch ge^
bildete Leute enthieften. Bezeichnend ist es auch, daß die christliche Bewegung
noch in Gaiitäa zur Zeit Christi auf Arbeiterschichten aus dem Volke sich stützte.
Die Jünger und Anhänger Jesus sind Arbeiter-, proletarische Elemente. Er selbst
stammt aus einer armen Handwerlcerfamilie und der Sinn seiner Predigten ist
offenbar gegen die Reichen und Herren ydieser Weits gerichtet, indem die Armen,
Leidenden, Verfolgten und Unglücklichen nach ihm sichere Erben des * Gottes^
reiAess sind. Vgl. besonders die Bergpredigt Jesus nach dem Lukasevangelium.
i Vgl. Pöhlmann: Geschichte des antiken Kommunismus und Sozialist
mus, 1912, Bd. II. Das Christentum.
 
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