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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

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VIII. 2
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Ranke, Otto: Die Don Juan-Gestalt: ein Beitrag zum Verständnis der sozialen Funktion der Dichtkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.28550#0153

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Die Don Juan^Gestalt

143

von Mozart, der an der Unsterblichkeit seines Heiden vielleicht
einen noch größeren Anteil hat, als uns aus der bloßen Tatsache
scheinen mag, daß diese musikalisAe Bearbeitung des bei den
Dichtern so beliebten Stoffes die einzige von dauernder und
durchgreifender Wirkung geblieben ist.
Ist man gerade in der Stimmung — wie sie zufällig dem
Verfasser durch die Beschäftigung mit gewissen Gedankenkreisen
nahe lag — der Mozartschen Oper mit der psyAoanalytisAen
Einstellung gegenüberzutreten und also die bewußte Zielvorstellung
des erotisAen Helden teilweise auszusdialten, so bemerkt man
unsAwer und doA niAt ohne ÜberrasAung, daß die Handlung
eigentliA niAts weniger als einen erfolgreiAen Sexualabenteurer,
vielmehr einen vom MißgesAiA verfolgten armen Sünder darstellt,
den sAließliA das seinem Milieu entspreAende Los der Aristo
liAen Höllenstrafe erreiAt. Die glüddiAe, genußfrohe Zeit des
eigentliAen Don Juan siA auszumalen, bleibt der Phantasie des
Zuhörers Vorbehalten, die sAeinbar nur zu gerne von diesem
ihrem natürliAen VorreAt GebrauA maAt und daneben die Dar-
Stellung der tragisAen Züge der moralisAen Anstalt der SAau^-
bühne überläßt. Wir folgen also nur den vorgezeiAneten Spuren
von Tradition und DiAtung, wenn wir dieser dem mensAliAen
Denken offenbar peinliAen Seite des x<Don Juane unsere analytisAe
Aufmerksamkeit zuwenden.
Dabei wird unser Interesse zunäAst von der fertigen Gestalt
weg auf ihre Bntwiddung gelenkt. Aber sAon ein HüAtiger Blick
auf die zahlreiAen Don Juan=DiAtungen belehrt uns, daß wir
dort keine Aufklärung finden können. Denn der durA Mozart
verewigte Typus tritt fertig in die Literatur ein*, während der
dem Volksbewußtsein geläufige Fraueneroberer in ihrer Über-
lieferung — nie existiert hat. Seien wir konsequent genug, daraus
den SAluß zu ziehen, daß der frivole HerzensbreAer niAt das
Wesentlidie am Don Juan^Stoff ist, sondern daß Sage und
DiAtung von Anfang an etwas anderes darin gesuAt und ge-
funden haben mußte. Der typisAe Liebesheld und Erotiker, auA
ein solAer größten Stils, wäre wahrsAeinliA leiAt und vieF
* »Die älteste Darstellung Don Juans in der Weltliteratur ist die vor
1620 entstandene spanische Komödie, von der wir im ,Buriador de Sevilla"
und ,Tan largo me io Hais?" zwei geringfügig veränderte Fassungen besitzen.*
Hans Hechel: »Das Don Juan-Problem in der neueren Dichtung.* Stuttgart 1915
(J. B. Metziersche Buchhandlung).
 
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