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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

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VIII. 2
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Kinkel, Johann: Zur Frage der psychologischen Grundlagen und des Ursprungs der Religion, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.28550#0209

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Zur Frage der psy&otogis&en Grundfagen und des Ursprungs der Reiigion 199

und Hilfe, es warnt seine Schützlinge vor drohenden Gefahren, es
wendet böse Naturkräfte ab und zieht gute heran. Der Mord des
Totemtiereswird grausam geahndet, — das tote Totemtier wird mit
allen Ehren, die einem Stammeshäuptling zustehen, begraben und
sein Geist genießt auch später diese Ehren. Soweit nun später in
der Religionspsydiologie des primitiven MensAen der Animismus
und parallel damit der FetisAismus aufkommt, erweitert siA der
religiöse Vorstellungskreis im Sinne der Beseelung aller MäAte und
BrsAeinungen der Natur, die sämtliA Objekte des Religionskultus
werden. Die Bntwi&lung fetisAistisAer Vorstellungen steigert dann
die Anzahl der FetisAgötter ins Ungemessene. Indessen bleibt die
alte psydiologisAe Grundlage auA auf dieser Religionsstufe be-
stehen, wenn auA ihr Wesen sehr verdunkelt ist. Es ist wohl niAt
abzuleugnen, daß die begründete Erklärung des Animismus=Feti-
sdiismus bis jetzt Frazer, Lippert und Spencer gegeben haben.
Spencer hat es besonders eingehend naAgewiesen, daß der Animis-
mus-Spiritismus seine psyAologisAe Grundlage nidit nur in der
infantilen Naturbeurteilung und *auffassung nach Analogie
findet, sondern hauptsäAliA in der Nekrolatrie, dem Kultus der
verstorbenen Vorfahren, deren Geister in den NaturersAeinungen
fortwirkend gedaAt werden. Die auf den Seelenkult eingehenden
ForsAungen Lipperts und Breysigs beweisen nun überzeugend,
daß die Hauptrolle hier der Kultus der verstorbenen Ahnen (Vater,
Großvater, Urgroßvater) spielte. Deshalb eben bildete siA in der
ReligionspsyAologie der Juden die Gestalt des nationalen Gottes
Jahwe aus, nämliA im langsamen Prozeß der psychologischen
Verdichtung der Gestalten mehrerer GesddeAterahnen ver*?
sAiedener jüdisAer Stämme, die viele Jahrhunderte hindurA Gegen-
stand umfassender Religionskulte waren, in eine Gestalt — die
des Jahwe. Der Glauben an die Seelenwanderung verstorbener
MensAen in versAiedene Tiere und auA unbelebte Gegenstände,
der allen antiken Völkern eigen war, hat offenbar die Vorstellung
begründet, daß alle NaturersAeinungen und Gegenstände von den
Geistern verstorbener Vorfahren beseelt seien. Auf diese Weise
wird man zu dem SAlusse kommen, daß auA bei der zweiten
Stufe der Religionsentwi&lung naA dem Totemismus, d. h. im
Animismus-FetisAismus wiederum, wenn auch bereits unbc^-
wußte Elemente der Vatereinstellung, d. i. des Vaterkomplexes,
enthalten sind.
 
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