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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

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VIII. 3
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Freud, Anna: Schlagephantasie und Tagtraum
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https://doi.org/10.11588/diglit.28550#0342

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332

Anna Freud

Eine zweite Motivierung der Niederschrift ergibt sich im An-
schluß an eine Äußerung Dr. Bernfelds über die Dichtversuche
Jugendlicher. Er bemerkt dort, daß bei solchen Aufzeichnungen von
Tagträumen der Beweggrund zur Aufzeichnung nicht im Tagtraum
selbst, sondern außerhalb desselben zu suchen ist. Und zwar findet
er dieses Motiv in der Wirksamkeit bestimmter, vom Ich ausgehender,
ehrgeiziger Tendenzen, so etwa in dem Wunsch, als Dichter auf
andere zu wirken, sich Achtung und Liebe der anderen auf diese
Art zu verschaffen. Wenden wir diese Theorie auf unseren Fall
der Rittergeschichte an, so wäre der Vorgang bei ihrer Entwicklung
vom Tagtraum zur Niederschrift der folgende gewesen: Im Dienste
von ehrgeizigen Strebungen nach Art der eben genannten wird
aus der privaten Phantasie eine für andere bestimmte Mitteilung.
Bei dieser Umwandlung werden alle Rücksichten auf die persön-
lichen Bedürfnisse der Träumerin durch Rüdesichten auf die erhofften
Leser ersetzt. Der direkte Lustbezug aus dem Inhalt der Nieder-
schrift kann ausbleiben, weil die Niederschrift als solche der ehr-
geizigen Strebung Befriedigung und dadurch der Verfasserin indirekt
Lust verschafft. Mit diesem Verzicht auf den direkten Lustbezug
schwindet aber auch die Bevorzugung bestimmter Stü&e des Inhalts —
der Höhepunkte des Tagtraums — die zur Lustgewinnung besonders
geeignet waren,- ebenso fallen in der Niederschrift (wie die AuL
nähme der Folterszene zeigt) die Beschränkungen fort, die dem
Tagtraum die Ausführung von Situationen aus der Schlagephantasie
verboten hatten. Die Niederschrift behandelt eben alle Stü&e des
Tagtrauminhalts gleichmäßig als objektives Material und läßt sich
bei der Auswahl aus ihnen durch die Rü&sicht auf Darstellbarkeit
leiten. Denn je besser die Darstellung des Stoffes gelingt, desto
größer ist die Wirkung auf andere und damit der indirekte Lust<-
bezug. Die Verfasserin verzichtet also, dieser Wirkung auf andere
zuliebe, auf die persönlidie Lust und vollbringt damit eine Wendung
vom Autismus zum Sozialen. Wir können sagen: sie bahnt sich
so den bekannten Rüdeweg aus dem Phantasieleben wieder in die
Realität.
 
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